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Im Dunkeln sind alle Wölfe grau

Im Dunkeln sind alle Wölfe grau

Titel: Im Dunkeln sind alle Wölfe grau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunnar Staalesen
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einen Augenblick schwitzte ich und mir war heiß, im nächsten zitterte und fror ich. Meine Lippen waren erstarrt, als ich sagte: »Sie haben nicht zufällig einen Schlüssel für die Wohnung?«
»Schlüssel, nein!« Sie schüttelte verärgert den Kopf. »Und der Hausmeister ist von der Gemeinde angestellt, den erwischt man also nie. Nein, Sie werden warten müssen, bis sie zurückkommt.« Sie wollte die Tür schließen.
Ich atmete langsam aus. »Sie haben also gesehen, daß sie wegging?«
»Neeein, das will ich nicht sagen.«
»Also … Sie würden nicht so nett sein und mit mir raufgehen. Ich glaube, es bleibt mir nichts übrig, als die Tür aufzubrechen. Ihr kann was passiert sein.«
»Die Tür aufbrechen? Ich glaub, Sie sind verrückt, Mann! Dann rufe ich die Polizei!« Die Tür knallte vor mir zu, aber ich hörte drinnen keinen Laut. Sie stand direkt dahinter und lauschte.
Ich sagte zur verschlossenen Tür: »Tun Sie das.« Dann ging ich die Treppe wieder hinauf.
Das Leben läuft in Zirkeln, größeren oder kleineren. In gewissen Abständen findest du dich in Situationen wieder, in denen du dir selbst sagst: Das hier hast du schon einmal erlebt.
Als ich vor Olga Sørensens Tür stand, erlebte ich erneut den Augenblick vor Hjalmar Nymarks Tür, ein paar Wochen vorher.
Auch diese Tür bereitete keine Probleme. Ich ging auf die gleiche Weise vor: trat die Glasscheibe ein, streckte die Hand hindurch und öffnete das Schnappschloß mit Hilfe des Drehknopfs.
Die Tür ging auf und das gleiche tat die Nachbartür. Der Typ, der da stand, war zwei Meter groß und trug rote Hosenträger. »Was, zum Teufel?« sagte er.
»Ruf sofort die Polizei an, bevor ich es tue«, sagte ich und starrte mutig an ihm hoch.
»Ich hab verdammt nochmal nichts mit der Polizei zu tun«, antwortete er, verschwand wieder und zog die Tür mit einem kräftigen Knall hinter sich zu.
Ich zuckte mit den Schultern und ging in die Wohnung hinein. Der Vorraum war dunkel und recht klein. An der einen Wand standen alte Wildlederstiefeletten und ein Paar Gummistiefel und an ein paar Haken hingen ein graubrauner Mantel und eine alte Schürze.
Ich holte vorsichtig Luft. Die Wohnung stank nach Bier und noch Schlimmerem.
Ich öffnete die erste Tür, zu der ich kam. Es war die Küche. In der Spüle standen Stapel von Tellern und Gläsern und auf dem Boden lagen einige leere Bierflaschen. Eine ungeöffnete Dose Erbsen stand mitten auf dem Tisch. Sie sah unfaßbar einsam aus, wie ein Symbol einer kläglichen Festmahlzeit.
Ich ging zurück in den Vorraum und öffnete die nächste Tür zum Wohnzimmer. Weitere Türen brauchte ich nicht zu öffnen.
Es sah aus, als hätte hier ein Fest stattgefunden. Überall lagen leere Flaschen. Ein Lehnstuhl lag umgeworfen auf dem Boden und ein verschlissener Couchtisch stand an ein fransiges Sofa geklemmt. Ein Aschenbecher lag umgestülpt auf dem Boden und die zerdrückten Zigarettenstummel schufen ein unordentliches Muster auf dem schmutzigbraunen Fußbodenbelag.
Eine Frau mit grauem, verfilztem Haar und eingefallenem, verwüstetem Gesicht lag mit dem Rücken halb über einem braunschwarzen Sekretär. Auf der scharfen Kante des Sekretärs war ein dunkler, klebriger Fleck, an dem ein paar lange, graue Haarbüschel hingen. Die steifen Finger der rechten Hand umklammerten einen Flaschenhals, und sie lag in einem See von Bier, der aus der Flasche gelaufen war. Sie starrte zur Decke hoch, als sähe sie direkt in die ewigen Supermärkte und wäre schon auf dem Weg zum Bierstand.
Wenn das hier Olga Sørensen war, hatte die Frau im Erdgeschoß Recht gehabt: dann war der Gruß schon überbracht.
31
    Ich ging wieder ins Erdgeschoß hinunter und klingelte. Niemand öffnete. »Hallo!« rief ich gegen die Tür. »Haben Sie die Polizei angerufen? Wenn nicht, dann können Sie es jetzt tun.«
    Niemand antwortete. Wahrscheinlich stand sie zitternd vor Schreck gleich hinter der Tür, voller Angst, was ich mir jetzt wohl einfallen ließ.
    Das nächste Telefon war in der Snack-Bar unten in der Ekregate. Der Inhaber war aus Haugesund, aber ich durfte sein Telefon trotzdem benutzen. Der Wachhabende auf der Kripostation sagte, sie würden sofort einen Wagen herschicken. Ich ging zurück in die Kirkegate und blieb vor dem Haus stehen und wartete.
    Der Wagen kam und Dankert Muus stieg aus. Als er mich erblickte, drehte er sich zum Auto um und sagte: »Wer hat die Meldung entgegengenommen? Warum haben die nicht erzählt, daß es Veum war, der angerufen

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