Im fernen Tal der Hoffnung
trauern?, fügte Shelley im Stillen hinzu. Sie wusste, dass zwischen Mutter und Tochter keine Liebe gewesen war, und doch hatte es bestimmt eine Verbindung zwischen den beiden gegeben. Na ja, vielleicht auch nicht. Sarah machte nicht den Eindruck, als ob ihr der Tod ihrer Mutter besonders zu schaffen machte.
Sarah schüttelte den Kopf. » Dad hält es für das Beste, wenn Jim seinen Anteil bekommt, damit alle ihr Leben weiterleben können.«
Shelley fand das eigentlich auch. » Fahr nach Hause, sprich mit Anthony. Was auch immer zwischen euch passiert ist, du weiÃt doch, dass er dich liebt. Anthony war immer da für dich, Sarah. Er war immer auf Wangallon. Du kannst mir doch nicht erzählen, dass du da drauÃen in der Wildnis ohne ihn leben willst.«
Sarah leerte ihr Weinglas. » Versteh doch, dass ich das tun muss. Ich kann nicht zulassen, dass so ein dahergelaufener Schnösel vom anderen Ende der Welt ankommt und einen Teil von Wangallon haben will. Meine Familie hat den Besitz geschaffen. Sie haben dafür geschuftet, und manche sind dafür sogar gestorben.«
Shelley dachte sofort an Cameron. » Du meinst, auf dem Besitz gestorben«, korrigierte sie sie. » Was hältst du da eigentlich in der Hand?«
» Die Taschenuhr meines UrgroÃvaters.« Sarah öffnete die Handfläche, schloss aber gleich wieder die Finger um die Uhr. » Ich bin die Hüterin von Wangallon. Ich muss es sein, wenn sonst niemand kämpfen will, um Wangallon zu beschützen. Ich kann nichts dagegen tun, Shelley, ich fühle mich einfach verantwortlich.« Sie blickte auf ihre Hand. » Ich fühle mich getrieben.«
Shelley holte ihr Portemonnaie heraus, um das Essen zu bezahlen. » Pass nur auf, dass du dabei nicht etwas Kostbares verlierst, Sarah. Pass auf, dass du dich nicht selbst verlierst.« Sarah starrte wieder aus dem Fenster. Seufzend legte Shelley fünfzig Dollar auf den Tisch. Irgendwann einmal mussten Menschen erwachsen werden und ihre Verantwortlichkeiten akzeptieren, aber Anthony und Ronald würden Sarah diese Last doch nicht alleine tragen lassen. Sie machte sich Sorgen um Sarah und ihre Zukunft. Sarah hatte einen entschlossenen Zug um den Mund, und mit Schrecken erkannte Shelley, wie ähnlich sie ihrem GroÃvater Angus geworden war. » Versprich mir, dass du alles noch einmal gründlich überdenkst, bevor du die Entscheidung triffst, vor Gericht zu gehen. Versprich mir, dass du mit Anthony redest.«
» Ich muss jetzt gehen. Ich habe um drei Uhr einen Termin beim Arzt, und ich will noch versuchen, einen Flug nach Hause zu bekommen.«
Shelley hatte ein ungutes Gefühl. » Pass auf dich auf.« Sarah schenkte ihr ein klägliches Lächeln, und Shelley packte sie an den Handgelenken. » Ruf mich an, wenn du mich brauchst.«
Sarah zog die Hände weg und gab Shelley einen Kuss auf die Wange. » Ja, das mache ich.« Sie wussten beide, dass das nicht stimmte.
Der Chardonnay hinterlieà einen sauren Geschmack in Shelleys Mund. Sie blickte ihrer Freundin nach, als sie hinausging. Ein Schauer lief ihr über den Rücken. Ihre Vorfahren bestimmten ihr Leben noch vom Grab aus, und Shelley wusste, dass Sarah den schwersten Weg einschlagen würde, ganz gleich, was man ihr riet. Das war schon immer so gewesen. Das Mädchen war offensichtlich entschlossen, Wangallon zu schützen. Aber bei einer Geschichte wie den Gordons war das ja auch zu erwarten. Shelley erhob sich ebenfalls und zwinkerte auf dem Weg zur Tür einem dunkelhaarigen Mann zu.
Jim wartete geduldig auf der anderen StraÃenseite, in der Nähe des Hyde Park. Seine Idee, Sarah zu folgen, war nach dem Treffen in der Anwaltskanzlei aus Wut und Frustration entstanden. Er hatte vorgehabt, mit Sarah ohne die » Anzugtypen« zu sprechen und ihr vorzuschlagen, die Dinge freundschaftlich zu regeln, aber mittlerweile war ihm klar geworden, wie naiv das von ihm gewesen war.
Jim beobachtete, wie Sarah alleine das Restaurant verlieà und vor dem Schaufenster des David Jones Kaufhauses stehen blieb. Ihre langen, glänzenden Haare wehten im Wind, als sie ihre Handtasche zurechtrückte und um die Ecke ging. Jim rannte ihr hinterher. Sarah ging schnell, und Jim rempelte Passanten an, fiel beinahe über eine Frau im Rollstuhl und murmelte Entschuldigungen nach allen Seiten, während er versuchte, sie nicht aus den Augen zu verlieren. SchlieÃlich stand
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