Im fernen Tal der Hoffnung
hören, wie der Wind um die Mauern heulte. Besonders romantisch war es nicht gewesen. Den Rest der Nacht hatte sie verdrängt, denn Ronald sagte ihr, er würde Schottland verlassen, und obwohl sie ihn anflehte, bis sie keinen Funken Stolz mehr in sich hatte, wollte er alleine fahren. Maggie konnte ihm keinen Vorwurf daraus machen. Er war ein Mann wie jeder andere auch, und er nahm sich einfach, was sie ihm so freigiebig angeboten hatte. Und sie war die Frau, die so irrational war, an die Kraft ihrer Wünsche zu glauben.
Nachdem sie ihn angebettelt hatte, nicht zu gehen, hatte Ronald ihre Wange berührt und mit dem Daumen eine Träne weggewischt. Er hatte raue, schwielige Finger, und seine zärtliche Berührung hatte eine kleine Schramme hinterlassen. » Du wirst eine groÃartige Läuferin«, hatte er ihr prophezeit und sanft ihre Finger von seinem Arm gelöst. » Schottland wird stolz auf dich sein.«
Sie hatte nicht den Mut gehabt, ihm zu sagen, dass ihr Traum nie wahr werden würde; sie hatte es sich ja selbst noch nicht einmal eingestanden.
Bei Tagesanbruch verlieà er die Ruine, und Maggie blickte ihm nach, als sei er eine Halluzination. Ronald Gordon war die Verkörperung eines Traums, den viele Schotten hegten. Seine Vorfahren, die das Land in bitterer Armut verlassen hatten, besaÃen jetzt Anwesen in Australien, die denen englischer Adeliger gleichkamen. Sie waren Vorbild für das, was man erreichen konnte. Danach strebten die jungen Leute in Schottlands Norden. Wenn Hamish Gordon erreicht hatte, was unmöglich schien, warum sollte es dann nicht auch jeder andere erreichen?
Nicht einmal blickte Ronald Gordon zurück zu ihr. Nicht einmal zeigte er Bedauern. Aber sie bedauerte es. Maggie saà auf einem gesprungenen Steinblock. Sie war müde, und der Gedanke an den langen Abstieg trieb ihr die Tränen in die Augen. Sie dachte an das ungewollte Kind, das aus ihren Wünschen und Sehnsüchten entstanden war: Das war jetzt ihre wahre Liebe. Sie konnte nur hoffen, dass Jim sicher nach Hause kam, und dass ihr Leben intakt blieb. Ihre Mutter hatte immer gesagt, man könne seinem Schicksal nicht entkommen. Und davor hatte Maggie am meisten Angst.
Winter 1989
Elizabeth Street, Sydney
Sarah ging die Elizabeth Street entlang. Der aufkommende Wind wehte ihr braune Haarsträhnen in Augen und Mund. Sie schob sie aus dem Gesicht und blinzelte in der eisigen Luft. Die Luft schmeckte nach Smog, und sie lauschte dem ohrenbetäubenden Brummen der Autos, Lastwagen und Hupen. Sie wich einem kleinen weiÃen Hund aus und musste sofort an Bullet denken, an ihr Pferd Tess, an die Vögel, die Weite, die frische Luft. Sie wäre am liebsten sofort nach Hause gefahren. Sie drückte Franks Päckchen an die Brust und betrat das erstbeste Restaurant. Dort bat sie um einen Tisch für zwei Personen und fragte, ob sie das Telefon benutzen dürfe. Zwanzig Minuten später kam Shelley ins Restaurant.
» Na, das ist ja eine Ãberraschung«, sagte sie, als sie zu Sarah kam, die an einem Tisch am Fenster saÃ. Sie trug ein blauweiÃes Pepitakostüm mit Schulterpolstern, einem kurzen Rock und einer seidigen weiÃen Bluse. Hochhackige weiÃe Pumps vervollständigten ihren Aufzug. Sie sah aus wie Prinzessin Diana. Die Frauen umarmten sich.
» Das sieht dir ähnlich, dich in so ein Rattenlokal zu verirren.« Shelley blickte sich um. » Obwohl mir die Klientel gefällt.« Das Restaurant füllte sich langsam mit Geschäftsleuten in schwarzen und grauen Anzügen. Shelley lächelte strahlend, was ihr einige bewundernde Blicke einbrachte. Angetan fuhr sie sich durch ihre sorgfältig frisierten blonden Haare und setzte sich. » Langweilige Meute. Was machst du hier eigentlich?« Sarah hatte aus dem Fenster geblickt. » Du siehst erschöpft und traurig aus. Es muss etwas Schreckliches passiert sein.«
Sarah bestellte zwei Gläser Rotwein bei der desinteressierten Kellnerin.
» Ich bin wütend und stinksauer«, gab Sarah nach den ersten beiden Schlucken Wein zu. Er schmeckte scharf und pfefferig. Wahrscheinlich brauchte sie eher ein Glas Wasser. » Stell dir einfach mal das Schlimmste vor, was mir passieren konnte.« Sie winkte der Kellnerin.
Shelley verzog das Gesicht, nachdem sie ebenfalls einen Schluck Wein getrunken hatte. » Oh, nicht Anthony. Jetzt sag mir nicht, ihr habt euch wegen dieser blöden Farm
Weitere Kostenlose Bücher