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Im fernen Tal der Hoffnung

Im fernen Tal der Hoffnung

Titel: Im fernen Tal der Hoffnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole Alexander
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zur Ruine setzte Maggie sich auf einen Stein, legte die Schachtel in ihren Schoß und zog sich die Schuhe aus. Sie öffnete die Schachtel und holte die Laufschuhe heraus. Sie waren beige und gelb. Damals hatte sie ein Auge auf ein Paar schwarz-weiße Schuhe geworfen, aber diese hier waren die allerbesten, und obwohl sie fast ein ganzes Pfund zu wenig hatte, gab der Ladenbesitzer in Thurso sie ihr. Selbst er hatte schon gehört, was für eine großartige Läuferin Maggie war.
    Maggie schlüpfte in die Schuhe und fuhr mit den Fingern um die Innenseite herum, damit sie richtig saßen. Die Schuhe waren ihr zu eng geworden, und sie musste die Zehen krümmen, weil sie nicht genug Platz hatte. Sie lief auf der Stelle, wobei sie kurz die Knie so hoch wie möglich anhob. Atemlos lachte sie über ihre albernen Übungen.
    Zwei Monate lang hatte sie die Laufschuhe jeden Tag getragen. Sie trainierte nicht mehr in den Hügeln, sondern auf den staubigen Straßen. Mit jedem Schritt, den sie lief, wurde ihr Schuldgefühl geringer, und jeder Kilometer, den sie zurücklegte, überzeugte sie von der Richtigkeit ihres Handelns. Und während ihre Kraft wuchs und ihr Tempo schneller wurde, stritt sie weniger mit ihrer kränklichen Mutter und ignorierte sie mehr. Wie konnte sie von ihr erwarten, dass sie für die kleinen Geschwister kochte und putzte und dabei noch zwei Jobs hatte, wenn sie doch trainieren musste, um letztendlich auf dem Siegertreppchen in Edinburgh zu stehen? Neben dem Training blieb ihr gerade noch genug Zeit, um Frühstück zu machen und ihre jüngeren Geschwister zur Schule zu schicken. In der Mittagspause verbesserte Maggie ihre Starttechnik vor dem Kaufhaus, in dem sie arbeitete. Sie steckte ihren Rock in die Unterhose und sprintete auf dem Asphalt. Ihren zweiten Job in einer Wollkämmerei gab sie auf, schnitt zwar noch das Gemüse zum Tee, überließ jedoch das Kochen ihrer Mutter. Den Rest der Zeit lief sie. Maggie lief so schnell, dass sie den Postboten auf seinem Fahrrad überholte und den Milchmann in seinem Lieferwagen. Sie lief sogar schneller als Robert Macken in seinem Utility, wenn er Schafe zu Lord Andrews brachte. An dem Tag, an dem der Ladenbesitzer zögernd einwilligte, ihre Zeit mit seiner modernen Stoppuhr zu stoppen, lief Maggie schneller als der Sieger des letztjährigen Rennens in Edinburgh. Sie war bereit. Am nächsten Tag begann sie, sich zu übergeben.
    Langsam ging Maggie um die Ruine herum und dachte an eine andere Nacht vor langer Zeit.
    Eines Frühlingsabends ging sie nach der Arbeit die Straße entlang. Es waren noch fünf Kilometer bis zur Kreuzung, die sie nach Hause führte, und sie war müde und wütend. Da das jüngste Kind an Krupphusten litt, war sie seit drei Uhr in der Nacht auf den Beinen, und dann hatte sie sich noch das Gejammer ihrer Mutter anhören müssen, weil ihr offenes Bein nicht heilen wollte. Der Kindsvater war zu einem Bewerbungsgespräch aufgebrochen und nicht wiedergekommen. Nur einmal wollte Maggie in aller Ruhe am Feuer sitzen und sich von jemandem eine Schale Brühe bringen lassen. Einmal nur wollte sie hören, wie der Wind um die dicken Mauern ihres Cottages pfiff, statt immer nur das endlose Geschrei und Gezanke ihrer Geschwister im Ohr zu haben.
    Als das Auto langsamer fuhr, zögerte Maggie nicht. Es war sonst kein Verkehr, und sie strich mit ihren rauen Händen andächtig über das weiche Leder des Sitzes, als sie sich auf den Beifahrersitz setzte. Die Scheinwerfer des Autos erschreckten die Tiere auf dem Seitenstreifen, als sie schnell die schmale Straße entlangfuhren. In Tongue parkten sie hinter dem Pub, und ohne großartig nachzudenken, folgte sie ihm.
    Maggie begann, um die Ruine herumzulaufen. Mr Levi hatte sie heute darüber informiert, dass es einen Vaterschaftstest geben würde. Was sie getan hatte, konnte sie nicht ungeschehen machen. Wie sollte sie sich entschuldigen? Waren die Klatschtanten selbst schuld, dass sie die Identität von Jims Vater zu kennen glaubten? Konnte ihr verziehen werden, dass sie mehr aus ihrem Leben hatte machen wollen? Und was war mit der Familie auf der anderen Seite der Welt? Maggies Wadenmuskel zog sich schmerzhaft zusammen. Sie bekam dumpfes Seitenstechen. Fest drückte sie die Finger mitten in den Schmerz hinein und lief weiter. Sie dachte an Robert, der am Feuer eingeschlafen war. Er würde aufwachen und nach

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