Im fernen Tal der Hoffnung
die sich zu stark geschminkt und zu viel Parfüm aufgelegt haben.«
Mehr Anweisungen würde er wohl nicht bekommen, dachte Matt.
Angus erklärte ihm, wie er ihn monatlich für seine Arbeit als Herdenleiter entlohnen wollte, erläuterte aber auch, dass ein separates Bankkonto auf Matts Namen eingerichtet werden würde. » Rufen Sie meinen Anwalt an, falls und wenn die Zeit gekommen ist, Matt, und wenn es irgendwelche Probleme geben sollte, so denken Sie daran, Sie haben den Auftrag, Wangallon zu schützen.«
Matt blickte auf seine verstümmelten Finger. Es konnte gut sein, dass seine Hand in den nächsten Jahren völlig nutzlos würde. Er war ein Buschmann. Er konnte nicht in einem Altersheim mit anderen alten Kerlen sitzen und auf den Tod warten. » Sie meinen Sarah, oder?«, bestätigte Matt.
» Ja, Sarah und noch jemand anderen, Matt. Meine Enkelin hat einen Halbbruder, und einen Gordon kann man nicht einfach übergehen. Ehrlich gesagt passt es mir nicht so ganz, den Jungen ins Spiel zu bringen, aber ich möchte in dem Wissen sterben, dass ich ihm nicht unrecht getan habe. Und dadurch, dass ich seine Existenz anerkenne, werden einige Fehler aus der Vergangenheit gesühnt.«
» Fehler?«
Angus hob den knochigen Finger. » Manche Dinge werden am besten mit dem Dahinscheiden einer Generation begraben. In diesem Fall meiner Generation.«
Matt hielt vor seinem Haus. Er hatte die Aufgabe sowohl aus finanziellen Gründen übernommen als auch, weil sie ihn faszinierte. AuÃerdem: Wer hätte Angus Gordon schon widersprochen? Er brauchte nur die Anweisungen des Anwalts abzuwarten. Im Grunde sollte er ein Auge auf alles haben und dafür sorgen, dass alles in die richtige Richtung lief. Bis jetzt war die Trockenheit der erste Test gewesen. Es machte ihm überhaupt nichts aus, Anthony gegenüber unerbittlich zu sein. Er wollte nur Wangallon und Sarah schützen. AuÃerdem konnten sie ihn wohl kaum entlassen. Matt schob sich den Hut aus der Stirn und kratzte sich am Kopf. Plötzlich durchfuhr ihn ein Gedanke. Wenn er dafür bezahlt wurde, dass in Wangallon alles glattlief, indem er die jetzigen Eigentümer beobachtete, wer beobachtete dann eigentlich ihn?
Obwohl er alles Spirituelle ablehnte, blickte Matt zum blassblauen Winterhimmel hinauf. Das ist doch blöd, tadelte er sich. Er musste Toby Williams anrufen und die Musterung der ersten Viehherde für die Viehroute bestätigen. Vor ihm torkelte ein Ball aus Staub und kleinen Zweigen und Gräsern über die StraÃe. Wind war aufgekommen und hatte die Richtung geändert. Er blies auf Wangallon Farm zu.
Hochsommer 1908
Wangallon Station
Angus beobachtete seinen Vater. Angus schrieb die Aktivitäten des Tages in das Farmbuch. Seit ein paar Minuten stand er ganz still da, und die Anstrengung, seinen Vater beim Schreiben nicht zu stören, weckte in ihm den verzweifelten Wunsch, sich zu bewegen. Er konzentrierte sich auf einen Lichtstreifen, der durch einen Spalt in den burgunderroten Vorhängen drang. Nach und nach nahm er an Intensität ab, und der Schein der Petroleumlampe wurde heller. Da er sonst immer nur vor dem breiten Schreibtisch seines Vaters stand, eröffnete ihm diese Perspektive eine ganz neue Welt. Er stellte sich vor, wie Jasperson hier seine Anweisungen entgegennahm, wie sie über das Personal sprachen oder wie Geld gezählt wurde. Diese Seite des Schreibtischs, dachte Angus, war viel besser. Die Wand gegenüber wurde von einem deckenhohen Bücherregal eingenommen. Mit einer hölzernen Leiter kam man an die Bücher heran, die zu hoch standen. Daneben stand ein alter Armsessel aus Packkisten, der mit einem verblichenen roten Stoff bezogen war. Seine Mutter hasste diesen Stuhl. Sie fand ihn hässlich. Aber es gab ein paar Dinge, von denen sich sein Vater nie trennen würde. Das war der Sessel, eine Kommode in seinem Schlafzimmer, die aus den gleichen Packkisten gebaut war, mit Stoffgriffen an den Schubladen, und dann war da die Erinnerung an seinen Bruder Charlie, Angusâ Onkel. Diese drei Dinge, genau wie die Gründung von Wangallon, hatte es schon vor Angus und seiner Mutter gegeben. Es hatte sogar eine ganze andere Familie gegeben, von der jedoch nur noch sein Halbbruder Luke existierte, wie zum Beweis, dass es sie überhaupt gegeben hatte. Angus blickte zu der Blechkiste, die neben dem Armsessel stand und mit einem Vorhängeschloss
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