Im Feuer der Nacht
ein Stück Salat, das aus ihrem Burger herausgefallen war. „Zeke war ganz verzweifelt darüber, dass ich lange nach Orrins Tod immer noch stumm war. Er dachte, es würde mir helfen, wenn ich dich sehen könnte.“
„Erzähl’s mir.“
„Wir saßen auf einem Parkplatz an einem der Sportplätze.“ Sie war fast neun gewesen. Stumm, gebrochen und verloren. „Er hatte einen Beamten bestochen, dich aus irgendeinem Grund hinauszuschicken. Du hattest graue Turnhosen und ein graues T-Shirt mit abgeschnittenen Ärmeln an. Ich hab dir zugesehen, wie du deine Runden drehtest.“
Clay wusste genau, an welchem Tag das gewesen war. Das Tier in ihm war fast verrückt geworden vor Verzweiflung und Sehnsucht– er hatte gedacht, er hätte ihre Witterung aufgenommen. „Ich bin stundenlang gerannt.“
„Ich weiß. Ich bin dageblieben, bis du wieder hineingegangen bist.“ Sie lächelte ihn scheu an. „Ich wusste, du würdest die Zäune hassen, aber ich wusste auch, dass du überleben würdest. Und ich dachte, wenn du das für mich tun konntest, dann konnte ich es auch für dich tun.“
Clay ballte die Fäuste. Verfluchtes Weib. Es fiel ihm viel leichter an seiner Wut festzuhalten, wenn sie ihn nicht an das Mädchen erinnerte, das sie einst gewesen war. „Und was hast du dann getan?“, fragte er und gab dem Verlangen nach, alles über sie herauszufinden.
Sie wollte gerade antworten, als jemand genau in diesem Augenblick die Jukebox anwarf. Laute Musik dröhnte durch den Raum.
Clay zog seine Kreditkarte durch das Lesegerät im Tisch und stand auf. „Gehen wir.“
Sie nickte, nahm noch einen Schluck Wasser und folgte ihm dann. Vor dem Lokal trafen sie Dorian. Der blonde Wächter stieg gerade von seinem schwarzen Motorrad. „Ist das dein Häschen?“ Er nahm den Helm ab und lächelte Talin charmant und ein wenig raubtierhaft an. Clay hatte schon erlebt, dass Frauen sich Dorian an den Hals geworfen hatten, wenn er sie auf diese Weise angelächelt hatte. „Ist ja nur ein kleiner Happen für dich. Willst du sie nicht mir überlassen?“
Clay wartete auf Talins Reaktion, der Wächter testete sie, nicht ihn. Nach den Gesetzen des Rudels gehörte Talin Clay, denn sie war mit ihm gekommen. Kein Gefährte würde sie anrühren, es sei denn– Clay ballte wieder die Fäuste– sie wollte es selbst.
„Was sagst du dazu, Häschen?“
„Tut mir leid“, antwortete Talin zuckersüß. „Ich mach’s nicht mit kleinen Bubis. Um ehrlich zu sein, ich mach’s überhaupt nicht mit Jungs.“
Dorian verschluckte sich fast vor Lachen, dann sah er den schockierten Clay an. „Na, ich hab’s wenigstens probiert. Sie gehört dir, Kumpel.“
Clay drängte Talin zum Jeep– schließlich stand sie mit dem Rücken an der Beifahrertür, er hatte seine Hände rechts und links neben ihr an das Auto gestützt. Ihre Angst loderte zwischen ihnen auf, ein Eindringling, der nicht hierhergehörte. Clay kämpfte gegen die aufsteigende Wut des Leoparden an, doch in ihren Augen las er, dass er nur teilweise Erfolg gehabt hatte.
„Stehst du auf Mädchen?“, fragte er sehr, sehr leise.
Sie schüttelte mit großen Augen den Kopf.
„Ich spüre immer noch, wenn du lügst, und du hast Dorian nicht angelogen.“
„Habe ich auch nicht.“ Sie biss sich auf die Unterlippe. „Ich wollte ihn nur genauso hochnehmen wie er mich. Ich habe gesagt, dass ich keine kleinen Jungs mag.“
Der Leopard war zu aufgebracht, um die Logik in ihren Worten zu erkennen. „Und wen magst du dann?“
„Männer.“
Die Zeit blieb stehen, als er die Wahrheit in ihren Augen erkannte. „Du hast andere Männer gehabt.“ Eigenartigerweise fühlte er sich brüskiert und abgewiesen. Gestaltwandlerleoparden waren sehr sinnlich– regelmäßiger Sex galt als gesund und natürlich. Nie zuvor hatte er eine Frau dafür verurteilt, dass sie mit anderen Männern zusammen gewesen war.
„Ja.“ Sie war bleich geworden. „Viele Männer. So viele, dass ich mich weder an ihre Gesichter noch an ihre Namen erinnern kann. Selbst mein exzellentes Gedächtnis hat kapituliert.“
Wollte sie ihm absichtlich wehtun? Schon allein die Tatsache, dass sie es konnte, erregte den Zorn des Leoparden. Nur durch jahrelange Erfahrung gelang es ihm, seine Wut im Zaum zu halten, er stieß sich vom Wagen ab. „Warum? Du warst doch nie so eine.“
„Du hast mich nur vor der Pubertät gekannt“, sagte sie, Bitterkeit in der Stimme. „Können wir jetzt fahren, oder willst du einen detaillierten
Weitere Kostenlose Bücher