Im Feuer der Nacht
den Flur schritt, lächelte noch unverhohlener als zuvor und ging hinaus in den düsteren Tag.
Draußen auf der Veranda ließ er den Blick nach rechts schweifen. Ein ganzer Schwarm Jungen und Mädchen, ungefähr fünf und sechs Jahre alt, jagten einander lachend und kreischend durch den Garten, während sie sich mit weichen Bällen bewarfen. Bei einem Blick nach links entdeckte er eine ähnliche Anzahl Jungen, alle in einem Alter zwischen sieben und zwölf, zu denen die vermissten Kinder sehr gut gepasst hätten.
Er trat die Stufen hinunter und lenkte seine Schritte in Richtung dieser Gruppe. Es war nichts Bestimmtes, wonach er Ausschau hielt; aber die Erfahrung hatte ihn gelehrt, dass es oftmals scheinbar belanglose Informationsfetzen waren, die sich für die Lösung des Falls als entscheidend erwiesen.
Er lehnte sich gegen die Mauer und ließ den Blick über die Gruppe schweifen. Es gab Jungen in allen möglichen Größen und Gestalten, einige plump, untersetzt und zupackend, andere dürr und schlank. Die meisten bewegten sich frei und unbefangen im Spiel, einige wenige hinkten, und ein Junge zog den Fuß nach.
Jede vergleichbare Kindergruppe aus der besseren Gesellschaft wäre körperlich einheitlicher gewesen, in den Gesichtszügen ähnlicher und mit gleich langen Gliedmaßen.
Und doch gab es eine Sache, die Kinder der besseren Gesellschaft nicht nur untereinander, sondern mit den Kindern dieser anderen gesellschaftlichen Sphäre teilten, und das war eine gewisse Sorglosigkeit, die man bei armen Kindern normalerweise nicht fand. In dieser Sorglosigkeit spiegelte sich das Vertrauen in ihre Sicherheit, darin, dass sie ein Dach über dem Kopf hatten und einen ordentlichen Lebensunterhalt, nicht nur heute, sondern ebenso morgen und für die vorhersehbare Zukunft.
Diese Kinder waren glücklich, viel glücklicher, als viele ihrer Altersgenossen es jemals sein würden.
Auf der Bank an der gegenüberliegenden Seite des Spielplatzes saß ein Betreuer und las ein Buch, ließ aber hin und wieder den Blick über seine Mündel schweifen.
Irgendwann gesellte sich einer der Jungen - ein sehniges, ungefähr zehn Jahre altes Kerlchen mit einem wieselartigen Gesicht -zu Barnaby. Er wartete, bis Barnaby den Blick auf ihn senkte, bevor er fragte: »Sind Sie der neue Betreuer?«
»Nein.« Offenbar erwartete der Junge weitere Erklärungen, sodass er hinzufügte: »Ich bin Miss Ashford in einer gewissen Angelegenheit behilflich. Ich warte auf sie.«
»Oh«, stieß der Junge hervor, während ein zweiter zu ihnen kam, einen Blick auf seine Freunde warf und sich mutig genug fühlte, ihn zu fragen: »Was sind Sie dann?«
Der dritte Sohn eines Earls. Barnaby grinste, versuchte sich vorzustellen, wie die Jungen darauf wohl reagieren würden. »Ich helfe Menschen, Sachen zu finden.«
»Welche Sachen?«
Normalerweise Verbrecher. »Besitztümer. Oder Menschen, die verloren gegangen sind.«
Einer der älteren Jungen runzelte die Stirn. »Ich dachte, das machen die Bobbys. Aber Sie sind kein Bobby.«
»Nee«, mischte sich ein weiterer Junge ein, »die Polizei ist sowieso dafür da zu verhindern, dass Sachen geklaut werden. Geklaute Sachen zu finden, das ist was anderes.«
Weisheiten aus dem Munde von Kleinkindern.
»Also ...«, der erste Junge musterte ihn abwägend, »erzählen Sie uns eine Geschichte, wie Sie mal geholfen haben, eine Sache zu finden.« Sein Tonfall ließ die Worte eher hoffnungsvoll flehend als fordernd klingen.
Barnaby ließ den Blick über die Gesichter der Jungen schweifen, war sich vollkommen bewusst, dass jeder einzelne seine Kleidung und deren Qualität registriert hatte, und überlegte. Eine Bewegung im Garten lenkte seine Aufmerksamkeit auf sich. Der Betreuer hatte das Interesse der Jungen an Barnaby bemerkt, schaute ihn mit hochgezogenen Brauen an und fragte stumm, ob er gerettet zu werden wünschte.
Barnaby schickte ein beruhigendes Lächeln zurück und schaute sein Publikum an. »Die erste Sache, die ich geholfen habe wiederzufinden, war das Smaragdcollier der Herzogin von Derwent. Es ging auf einer privaten Festlichkeit im Hause der Derwents verloren ...«
Sie bombardierten ihn förmlich mit Fragen; es wunderte ihn nicht, dass das Fest selbst, das herzogliche Anwesen und wie die »Snobs« sich amüsierten, im Mittelpunkt ihres Interesses stand. Smaragde hingegen spielten in ihrer Welt keine Rolle. Aber Menschen faszinierten sie, wie auch er von Menschen fasziniert war, und als er ihre Reaktionen
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