Im Feuer der Nacht
sehen wünscht?«
Barnabys Lächeln verflüchtigte sich, er senkte den Blick und dachte nach, ob er eine Nachricht hinterlassen sollte. Wenn er nur Vorhersagen könnte, wie Penelope reagieren würde ...
»Mr. Adair, nicht wahr?«
Er schaute den Butler an, dessen Miene nach wie vor vollkommen ausdruckslos blieb. »Ja.«
»Für den Fall, dass Sie vorsprechen sollten, hat Miss Ashford mich beauftragt, Ihnen auszurichten, dass sie Lady Calverton auf ihrem Nachmittagsspaziergang zu begleiten hätte. In dieser Angelegenheit ist sie zur üblichen Stunde in den Park gegangen.«
Barnaby verkniff sich ein Lächeln. Der Park. Zur üblichen Stunde. Zeit und Ort in einer Kombination, die er gewöhnlich zu meiden pflegte. »Vielen Dank.« Er ging die Treppe hinunter, zögerte auf dem Fußweg und wandte sich nach Westen.
Und schlenderte in Richtung Hyde Park.
Es war November. Der Himmel war wolkenverhangen, die Brise frisch. Der größte Teil der Horde aus den glitzernden Ballsälen der gehobenen Stände hatte sich bereits auf das Land zurückgezogen. Nur wer an den Schaltstellen der Macht saß, war geblieben, denn das Parlament tagte noch. Bald würde es so weit sein, und dann wären sämtliche Salons in London leer und verwaist. Selbst jetzt konnte man schon sehen, dass die Anzahl der Kutschen in der Avenue deutlich ausgedünnt war.
Es würde nicht viele Witwen und Hausdamen geben, ganz zu schweigen von all den süßen jungen Ladys, die sich ratlos fragten, warum er die feste Absicht hatte, ausgerechnet mit Penelope Ashford zu sprechen.
Er überquerte die Park Lane, schritt durch das Tor und ging weiter, nahm die Abkürzung über den Rasen zu der Stelle, wo die Kutschen der Ladys aus den besten Kreisen sich zu sammeln pflegten.
Seine Einschätzung der Menschen, die den Hyde Park bevölkerten, erwies sich sowohl als richtig als auch als falsch. Die geschwätzigen Hausdamen und kichernden Mädchen waren dankenswerterweise abwesend; die Witwen und deren Gesellschafterinnen dagegen, deren stechenden scharfäugigen Blicken nichts entging, waren unübersehbar. Den Verbindungen seiner Mutter und der Berühmtheit seines Vaters hatte er es zu verdanken, dass er auf Anhieb erkannt wurde - und dass all jene sich sofort für ihn interessierten.
Die Kutsche der Calvertons stand auf dem Seitenstreifen ungefähr in der Mitte der Wagenreihe, was ihm die Blicke mindestens der Hälfte der versammelten Ladys sicherte, während er am Rande der Reihe vorbeispazierte. Lady Calverton war in eine ernste Unterhaltung mit zwei Damen vertieft; Penelope hielt sich sichtlich gelangweilt neben ihr.
Lady Calverton entdeckte ihn zuerst, lächelte, als er sich dem Wagen näherte. Penelope schaute ebenfalls in seine Richtung, straffte dann den Rücken, während die typische innere Lebhaftigkeit ihr ganzes Gesicht strahlen ließ.
»Mr. Adair.« Lady Calverton streckte ihm die Hand entgegen.
Er ergriff ihre behandschuhte Hand und beugte sich vor. »Lady Calverton.«
Penelopes Augen glänzten hinter der goldumrandeten Brille. Er begegnete ihrem Blick und neigte höflich den Kopf. »Miss Ashford.«
Sie lächelte ungezwungen, denn weder Portia noch ihr mangelte es an gepflegten Umgangsformen. »Mr. Adair unterstützt mich bei Ermittlungen über den Hintergrund einiger unserer Mündel«, erklärte sie ihrer Mutter und wandte dann den Blick auf Barnaby. »Ich wage die Vermutung, dass Sie weitere Fragen haben, Sir.«
»In der Tat.« Auch er beherrschte den spielerischen Plauderton der Gesellschaft und ließ den Blick über den benachbarten Rasen schweifen. »Vielleicht können wir ein paar Schritte spazieren gehen, während wir uns unterhalten, Miss Ashford?«
Sie lächelte zustimmend. »Eine ausgezeichnete Idee«, meinte sie und drehte sich wieder zu ihrer Mutter. »Ich bezweifle, dass wir lange fort sein werden.«
Er schwang die Kutschentür auf und bot ihr die Hand, die sie ergriff, um aus dem Wagen zu klettern. Draußen ließ sie ihn los, schüttelte ihre Röcke zurecht und schien gelinde überrascht, als er ihr den Arm bot.
Penelope nahm das Angebot an, legte ihre Hand zögernd auf seinen Ärmel; er hatte den Eindruck, als würde sie ihn nur sehr vorsichtig, beinahe misstrauisch berühren.
Interessant. Er zweifelte, dass sie sich mit Rücksicht auf die Gesellschaft so verhalten musste. Oder wegen jemand anderem. Dennoch spürte er, dass es nur daran lag - und vielleicht an ihrem Bedürfnis, die Lage jederzeit im Griff zu haben -, als sie sich
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