Im Fischernetz (German Edition)
mochte menschlich sein, doch nur zum Teil. Und seine Geschichte war mehr als merkwürdig. Warum hatte er vollkommen nackt am Strand gelegen? Natürlich wurden Sklaven, die als Liebesdiener verkauft werden sollten, den Kunden auf den Märkten am liebsten nackt präsentiert, doch warum schon auf dem Schiff? Diese seltsame Erklärung, er hätte nichts mitnehmen können, klang in Alvars Ohren ziemlich dürftig. Wenn Galdur Sayain wirklich in seiner Kabine eingesperrt hätte, dann hätte er, Alvar, ihn doch zumindest ab und an sehen müssen, es sei denn, Galdur hatte seine Existenz wirklich geheimgehalten . Und die Anwesenheit eines erwachsenen Mannes auf einem eher kleinen Handelsschiff geheimzuhalten , war nicht leicht. Er musste essen, seine Notdurft verrichten und sich waschen. Ein lebendes Wesen hinterließ Spuren.
Und dann diese Ruinenstadt. Alvar hatte Sayain beobachtet, den ganzen Weg vom Strand hinauf, im Garten und dann beim Durchsuchen der Ruine, in der sie sich befanden. Er wurde das Gefühl nicht los, dass Sayain diesen Ort besser kannte, als er vorgab. Vielleicht lebte er hier? Vielleicht hatte er das Schiff, das Boot, ihn, Alvar, und die anderen beobachtet und hatte ihn aus dem Wasser gezogen, nachdem der Riesenfisch das Boot angegriffen hatte?
Alvar stand wieder auf, trat noch einmal ans Fenster und beobachtete den glatten Meeresspiegel. Er hatte schon einiges gesehen auf seinen Reisen mit Galdur und seinen Mannen, aber noch nie hatte er einen solchen Fisch gesehen. Alvar hatte deutlich die Kiemen gesehen, ein Wal war es also nicht. Zudem war das Geschöpf für einen Wal viel zu schlank und geschmeidig gewesen. Er hatte Schuppen glitzern sehen, einen hechtartigen Kopf mit spitzen Zähnen, einen spindelförmigen Körper, eine kräftige Schwanzflosse, eine hoch aufragende, gezackte Rückenflosse. Der Fisch mochte im Ganzen mindestens neun Fuß lang gewesen sein, weiß wie Schnee und mit einem irisierenden Perlmuttschimmer. Das Bild des Wesens hatte sich in sein Gedächtnis eingebrannt und er wusste, dass er diesen Fisch gesehen hatte, dass es kein Traum gewesen war.
Sayain seufzte im Schlaf. Alvar wandte sich um und ging langsam wieder zu den Strohsäcken zurück. Sayain hatte sich eng in seine Decke gewickelt und lag zusammengerollt auf der Seite wie ein kleines Kind. Er wirkte angespannt, eine feine Falte stand zwischen den leicht zusammengezogenen Brauen. Ein Zittern lief über seinen Körper, die Falte wurde tiefer. Alvar beugte sich über ihn, als er die Lippen zu bewegen begann, aber er hörte keine Worte. Sayain zuckte im Schlaf zusammen, als würde ihn jemand schlagen. Unruhig rollte er sich herum und wühlte sich tiefer in Decke und Strohsack. Wieder bewegten sich seine Lippen, und nun hörte Alvar Worte. »Nein«, konnte er verstehen und: »Bitte nicht !« . Alvar biss sich auf die Lippe. Er streckte eine Hand aus, zog sie aber im letzten Moment wieder zurück, als Sayain plötzlich um sich zu schlagen begann und laut schrie. Augenblicke später riss er die Augen auf, fuhr hoch und sah sich um, Panik im Blick und Schweißtropfen auf der Stirn. Das Haar hing ihm wirr ins Gesicht und ließ jetzt deutlich die Ohren sehen. Er atmete keuchend.
» Sajenn ...« Alvar versuchte, sanft und ruhig zu sprechen. »Alles gut. Schlechter Traum?«
Sayain wandte ihm das Gesicht zu, zitternd zog er die Decke um sich. Es dauerte eine ganze Weile, bis er nickte. »Jetzt wach«, sagte Alvar leise. »Alles gut. Traum vorbei. Du gesagt, wir hier sicher. Kein Schiff. Kein Boot. Keine Menschen.«
Sayain nickte, fahrig strich er sich durchs Haar, seine Finger streiften die Ohren, als er eine Haarsträhne nach hinten schob – und er erstarrte. Wieder wandte er sich Alvar zu, und Alvar glaubte beinahe, Sayains rasenden Herzschlag zu hören.
Alvar lächelte. »Alles gut. Schon gesehen. Und? Du anders. Du nicht Mensch. Elf? Ich schon gesehen viel anderes Volk, wenn waren auf Märkten in Ombia . Ich kennen Nicht-Menschen. Händler aus Clan haben gemacht Handel mit...« Alvar suchte nach dem Wort für Zwerg und deutete mit einer Geste eine kleinwüchsige Person an. »Klein-Menschen mit viel Bart«, sagte er schließlich achselzuckend. »Alles gut. Ich nicht glauben, Nicht-Menschen böse .« Er lächelte.
Sayain stieß zischend seinen Atem aus. »Gut«, murmelte er leise. »Ja, du hast recht, ich bin kein Mensch, nicht... ganz. Ich war schon immer so. Ich weiß nicht warum. Ich kenne meine Eltern nicht .«
Alvar nickte. Noch
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