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Im fünften Himmel

Im fünften Himmel

Titel: Im fünften Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Megan McCafferty
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Gelübde nicht halten konnte. Doch die Wahrheit ist: Jeder Betrüger ist ein Saboteur. Wer fremdgeht, entschließt sich, Vertrauen zu missbrauchen, Versprechen zu brechen, Vereinbarungen zu übertreten, und das im vollen Bewusstsein der Konsequenzen. Jessica vermutet, dass G-Money ähnliche Beweggründe fürs Fremdgehen hatte wie sie damals: Es ist weniger anstrengend, eine Beziehung kaputt zu machen, als sie aufrechtzuerhalten. Mit zwanzig Jahren ist so ein Verhalten zwar verurteilenswert, kann aber noch der Unerfahrenheit der Jugend zugeschrieben werden. Fünfzehn Jahre später ist es einfach nur verdammt armselig. Bethany und Marin hatten etwas Besseres verdient, und das haben sie auch gekriegt. Und wenn G-Money in der Ehe wirklich so unglücklich war, dann er auch.
    Das konnte Jessica ihrer Mutter jedoch schlecht erklären, schon gar nicht in den paar Sekunden vorm Verlassen des Hauses. Mrs. Darling war wie immer um acht Uhr morgens schon perfekt gestylt, und ihr professionell faltenfreies Gesicht leuchtete wegen der wenn auch kurzen Rückkehr ihrer Tochter in den Kreis der Familie noch wacher. Sie freute sich über die Gelegenheit, ihr behilflich zu sein, im unabhängigen Leben ihrer Jüngsten eine Rolle zu spielen, auch wenn die Hilfe fehlgeleitet und unerwünscht war. Jessica merkte, wie gern, wie beinahe verzweifelt ihre Mutter ihr diesen Kaffee und diesen Donut mitgeben wollte. Das Angebot ablehnen hieße sie zurückweisen. In Erinnerung an Mrs. Daes aufgelöstes Gesicht am Abend zuvor akzeptierte Jessica also beides lächelnd und mit einfachem Dankeschön. Als sie das breite, überglückliche Antwortlächeln ihrer Mutter sah, hätte Jessica am liebsten Schadenersatz für jedes hämische Grinsen, Schnauben und Augenrollen gezahlt, das sie ihr im Lauf der Jahre grausam und gedankenlos zugemutet hatte.
    Jessica trank den Kaffee und ließ den Becher in ihrer Hektik versehentlich auf dem Boden des Taxis liegen. Der Donut – vom einzigen veganen Taxifahrer New Jerseys dankend abgelehnt – steckt immer noch in der ungeöffneten Tüte, irgendwo in den Tiefen von Jessicas Bordtasche, bis eben völlig vergessen. Jessica greift ins Dunkel, bis sie etwas Weiches, Zerknittertes spürt. Sie faltet die Tüte auf, späht hinein und entdeckt einen der Bestseller der Kette: mit Vanillecreme gefülltes, mit rosa Zuckerguss und Regenbogenstreuseln überzogenes Fettgebackenes. Während einer kurzlebigen und schlecht beratenen Marketingkampagne, bei der alle Papa-D’-Produkte nach berühmten Menschen aus New Jersey benannt waren, hieß der Donut McGreevey – wie der Gouverneur, der kurz darauf wegen einer Affäre mit einem Mann zurücktreten musste. Der Donut sieht aus wie eine kleine Geburtstagstorte, derlei sollte man eigentlich nicht zum Frühstück essen; sicher wollte ihre Mutter den Tag damit ein wenig festlicher machen, ihn von den anderen 364 Tagen des Jahres unterscheiden.
    Im wirklichen Leben würde sie so etwas nicht essen – im Flughafenleben aber schon. Wenn Jessica ehrlich ist, übernimmt Letzteres langsam, aber sicher Ersteres. Trotz ihrer vielen Flugmeilen ist Jessica immer noch keine besonders kompetente Reisende. Sie hat noch nicht genug Zeit in der Luft verbracht, um eine Himmelskriegerin zu werden, eine dieser cleveren Business-Class-Reisenden, die unglaubliche Mengen Feinkost in ihrem Handgepäck verstauen können. Daher steht Jessica ständig in irgendwelchen Flughafenkiosken, Geschmack und Verstand vom Jetlag betäubt, und kauft mit Kreditkarte Tüten voller salzigem, knusprigem, zuckrigem, stärkehaltigem Mist, den sie anderswo niemals zu sich nehmen würde, so als triebe sie die künstliche Atmosphäre der Flughäfen dazu, nur den künstlichsten Nahrungsersatz zu sich zu nehmen. Wie oft hatte sie schon zusammengesunken auf einer Bank in der Abflug-Lounge gesessen, sich Industriezucker von den Fingern geleckt und sich gefragt: Wieso um alles in der Welt habe ich das gerade gegessen?
    Der Zuckerkick dieses Donuts wird nur kurz andauern, und folgen wird der unvermeidliche Absturz, Entzug, ein hartnäckiger Zuckerkater. Das ist ihr egal. Heute jedenfalls. Ihre Zähne versinken im schweren Teig, und der verbotene Genuss stellt sich so unmittelbar ein, dass sie kaum bemerkt, wie auf der anderen Seite ein großer Klecks Vanillecreme herausquillt und ihr auf den

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