Im Funkloch
blies die Backen auf, um Zeit zu gewinnen. Hatte Passlewski ihnen vom Dackel erzählt? Ich sollte besser bei der Wahrheit bleiben. »Also . . . ja. Lucas ist mit mir hinters Haus gegangen.« Ich deutete grob in die Richtung. »Da lag Herrn Passlewskis toter Dackel.«
»Und du hast deinem Lehrer gesagt, Lucas hätte ihn getötet?«, fragte der Mann.
»Hat er behauptet.«
»Warum sollte er das tun?«
Ich zuckte mit den Schultern und fragte mich, ob sie auf Lucas' Anschuldigung beim Einbruch abzielten. Sie wussten davon. Ich war mir sicher. »Keine Ahnung. Lucas tickt schnell aus. Er war vor uns hier, und wenn der Dackel ihn angekläfft hat, hat das vielleicht schon gereicht.«
Die Polizistin nickte und notierte etwas.
»Und dann ist er einfach weggegangen?«, fragte der Polizist.
»Ich bin wieder vors Haus. Lucas ist nicht mitgekommen.«
»Und der Hund war dann weg . . .«
»Der Förster meinte, der Fuchs, den er gefunden hat, könnte ihn geholt haben.«
Die beiden Polizisten nickten synchron.
»Und wie war das mit dem Handy?«, erinnerte die Frau.
Ich konnte wieder nur mit den Schultern zucken. »Lucas hatte es Iris geklaut, ja. Aber wie es in meinen Schrank gekommen ist . . . das weiß ich nicht.« Kurz dachte ich nach, ob ich die Worte aussprechen sollte, die mir im Kopf herumspukten. Und dann tat ich es: »Aber – vielleicht war es nie drin.«
»Wie meinst du das?«
Bloß vorsichtig sein. Das war jetzt Glatteis.
»Noel hat das Handy gefunden. Behauptet er. Na ja, er hatte auch Riesenärger mit Lucas.«
»Was willst du damit sagen?«
»Ich will gar nichts sagen, ist nicht meine Art. Aber ich hab das Handy nicht im Schrank gesehen, bevor ich runtergekommen bin! Entweder hat Lucas es da reingelegt und den Wecker eingestellt, oder Noel hat irgendwas damit zu tun und behauptet, das Handy darin gefunden zu haben.«
Die Polizistin schrieb immer schneller und nickte. Wieder schauten sich die beiden kurz an, als würden sie telepathische Kräfte haben. Dann ging der Mann raus und kam nach wenigen Augenblicken wieder. »Vielleicht können wir das direkt klären.«
Ihm folgte Noel, der verwirrt dreinschaute. Er wurde angewiesen, sich auf den Stuhl neben mir zu setzen, dann bauten sich die beiden Polizisten wieder vor uns auf.
Der Mann fixierte Noel streng. »Samuel meint, du könntest lügen.«
»Ich habe nicht behauptet . . .«, setzte ich an, wurde aber unterbrochen.
»Du hättest gelogen und das Handy wäre nie im Schrank gewesen«, sprach der Polizist weiter. »Was sagst du dazu?«
Fassungslos drehte Noel den Kopf. »Was für ein Mist geht dir denn im Kopf rum?«, fragte er. Dann wandte er sich wieder an die Polizisten. »Soll ich schwören? Gern. Ich hab das Scheißhandy im Schrank gefunden, als es geklingelt hat, mit dem Blut und allem. Ich schwöre.« Er hob die rechte Hand.
»Ich fand's halt komisch, dass du in der Nacht unterwegs warst, als Lucas verschwunden ist . . . das ist alles.«
»Hab ich dir doch schon erklärt – ich war laufen.«
»Na ja, das kann ja jeder behaupten. Auch, dass dugestürzt bist und das Blut auf deinem T-Shirt von dir selbst ist . . .«
Noel schüttelte den Kopf. »Du bist völlig verrückt.«
»Und du?«, brauste ich auf. »Lässt dich von Lucas und Annabelle verarschen und schiebst dann die Depri-Nummer. Und zufällig findest du dann auch noch das Handy in meinem Schrank.«
Bevor Noel etwas erwidern konnte, fragte die Polizistin: »Was war mit dem T-Shirt?«
Noel musste sich zwingen, von mir wegzublicken. »Ich bin im Dunkeln gestürzt, hab mir was aufgeschürft.«
»Bitte gib mir das T-Shirt. Wir lassen das Blut überprüfen. Nur zur Sicherheit, okay?«
»Klar.« Mit einem letzten Blick zu mir ging er kopfschüttelnd zur Tür. Die Polizistin begleitete ihn.
»Das wäre erst mal alles«, sagte der Mann.
Ich konnte kaum aufstehen. Meine Beinmuskeln waren fast taub, so angespannt war ich. Der Gedanke, nächste Nacht wieder mit Noel in einem Zimmer zu sein, erfüllte mich nicht gerade mit Vorfreude.
Im Gemeinschaftsraum kam Kevin auf mich zugestürmt. »Du, ich hab mich mal umgehört – das mit dem Hessenmeister im Crosslauf stimmt wirklich«, sagte er.
»Na, besten Dank«, murmelte ich.
Die Polizistin und Noel traten gerade wieder in den Gemeinschaftsraum. Sie hielt das T-Shirt mit den Blutflecken in der Hand. Der Polizist gab Passlewski noch eine Visitenkarte und schärfte ihm ein, sich zu melden, sollte Lucas doch noch auftauchen, als die Tür
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