Im geheimen Garten des Scheichs
den Atem.
„Guten Abend, Lauren. Wie war dein Tag?“
„Als ob du es nicht wüsstest.“ Sie lächelte ihn an. „Prinzessin Farah hat mich vorhin besucht. Das war dein Werk. Also leugne es erst überhaupt nicht.“
„Ich hatte es nicht vor.“ Er lächelte ebenfalls. „Ein Tag kann ziemlich lang sein, wenn man zur Untätigkeit verurteilt ist und sich allein erholen muss.“
„Er ist für mich schnell vergangen. Sie ist eine bezaubernde Person. Wir haben zusammen Tee getrunken. Morgen wird sie mir die Palastanlage zeigen.“
„Wie wäre es heute mit einer Führung durch einen Teil des Innenbereichs? Ich bin nicht mehr im Dienst und habe gedacht, eine kleine Besichtigungstour könnte dir Spaß machen. Danach essen wir hier bei dir.“
Wie herrlich. „Ich hatte gehofft, den Palast während meines Aufenthalts in der Oase von innen anschauen zu können.“
„Dann erfülle ich dir gern den Wunsch. Vielleicht ist es in dem Reisebüro in Montreux nicht bekannt, aber ich habe die Räumlichkeiten für die Öffentlichkeit gesperrt. Es gibt so viele Gefahren, dass das Risiko zu groß ist.“
„Ich habe es jedenfalls nicht gewusst. Wäre ich nicht in den Sandsturm geraten …“
„… wären wir uns nicht begegnet. Es sei denn, das Schicksal hätte es anders gewollt. Gehen wir?“
In der nächsten Stunde schlenderte sie mit Rafi von einem prächtig gestalteten Gemach zum nächsten. Lauren konnte sich an den kunstvollen Gobelins und Teppichen, den wunderbaren Wand- und Bodenfliesen und den erlesenen Antiquitäten nicht sattsehen.
Irgendwann kamen sie in einen großen Raum, in dem lauter Ölgemälde hingen. Es waren Porträts von den Königen aus der Shafeeq-Dynastie. Und unter jedem war ein Namensschild angebracht, das Lauren natürlich nicht lesen konnte. „Wie haben sie geheißen?“
„Interessiert es dich wirklich?“
„Ja. Das Arabische ist eine so schöne Sprache.“
Rashad begann mit dem ersten Bild und gab ihr jeweils einen kurzen Lebenslauf. Schließlich waren sie beim vorletzten Gemälde angelangt. „Das ist Scheich Malik Ghazi. Die königliche Familie nennt ihn ‚den Großen‘.“
Laurens Herz klopfte wie verrückt. Sie stand vor dem Porträt ihres Großvaters. Er musste zu dem Zeitpunkt, als es gemalt wurde, etwa dreißig Jahre alt gewesen sein. Das Zeitungsfoto, das Celia wie ihren Augapfel gehütet hatte, wurde ihm zweifellos nicht gerecht. Er sah so atemberaubend aus, wie ihre Großmutter ihn beschrieben hatte.
Und Rafi schaut genauso umwerfend aus und strahlt die gleiche natürliche Autorität aus, schoss es ihr durch den Kopf. Sogleich rief sie sich zur Vernunft. Ihre Gedanken kreisten viel zu sehr um ihn. Er hatte kein Geheimnis daraus gemacht, dass er sein Junggesellendasein genoss. Außerdem würde sie nicht ewig in der Oase bleiben.
„Warum nennt die königliche Familie ihn so?“
„Sein Vater starb sehr früh. Malik wurde mit neunzehn König.“
„Das ist zu jung, um eine solche Verantwortung zu tragen. Meinst du nicht?“ Es war ein Wunder, dass er überhaupt Zeit für ihre Großmutter gefunden hatte.
„Es ist, wie es ist“, erwiderte Rashad, und Lauren lächelte über seinen fatalistischen Kommentar. „Er hat viele benachbarte Stämme geeint und unser Königreich erweitert.“
„Lebt er noch?“ Ihr Mund war ganz trocken.
„Nein. Er ist vor vier Monaten plötzlich gestorben. Dr. Tamam hat gesagt, sein Herz hätte einfach zu schlagen aufgehört.“
Und Celia ist gerade mal seit acht Wochen tot, dachte Lauren. Der kurze zeitliche Abstand berührte sie zutiefst. „Wie alt ist er geworden?“
„Einundachtzig.“
„Dann hatte er ein langes, erfülltes Leben. Wie Johara.“
„Eine scharfsinnige Feststellung.“
„Möglicherweise wird ihr ein ähnlicher Tod vergönnt sein.“
„Vielleicht“, meinte Rashad. „Ich hoffe, dass er sie im Flug ereilt, wenn sie frei ist. Vögel sollten nicht gezähmt werden.“
„Überraschende Worte aus deinem Mund.“
„Ich stecke in letzter Zeit voller Widersprüche“, erklärte er mit unergründlichem Blick.
Lauren erahnte, dass er nicht darüber reden wollte, und wandte sich wieder den Gemälden zu. „Und dies ist dann der König, dem ich durch nichts meine Dankbarkeit zeigen kann. König Umar Jalal Shafeeq. Bitte entschuldige die schlechte Aussprache. Ich kenne den Namen und sein Bild von meinem Einreisevisum.“
„Die Aussprache war tadellos.“
„Ich weiß, dass er ein gutes Herz besitzt, sonst wäre ich
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