Im Gewand der Nacht
zwar zu einem äußerst günstigen Zeitpunkt, wenn man Yümniye und Ratte glauben durfte. Irgendjemand wollte nicht, dass diese Geschichte ans Licht kam. Vielleicht sogar Ardiç selbst … Schließlich war er es auch gewesen, der den Fall Hatice İpek endgültig geschlossen hatte. Vielleicht gehörte Ardiç ja selbst zu den Kunden des Harems. İkmen schüttelte sich, um dieses Bild aus seinem Kopf zu vertreiben.
Obwohl die Vermutung, dass Belkis İskender sich ausschließlich ihrer Karriere widmete, nicht völlig abwegig war, schenkte sie dennoch einen Teil ihrer Zeit ihrem Ehemann, dem es immer wieder gelang, ihre Leidenschaft und Liebe zu entfachen. Auch wenn er beträchtlich kleiner war als sie und nicht annähernd so elegant wirkte, war Metin doch ein gut aussehender Mann, der sich für Literatur interessierte und die Gesellschaft kultivierter Menschen genoss. Mit ihm konnte sie sogar über ihre Arbeit reden; er schien sie zu verstehen. Leider galt dies nicht auch umgekehrt: Belkis wollte von Metins Beruf nichts wissen und bemühte sich erst gar nicht, seine Arbeit zu verstehen. Obrigkeit und Kunst passten einfach nicht zusammen; daher ignorierte Belkis meistens die Tatsache, dass ihr Mann Polizeibeamter war.
An diesem Abend sah die Sache jedoch anders aus. Metin war viel früher als sonst vom Dienst zurückgekehrt und hatte sehr schlechte Laune. Vielleicht war »schlechte Laune« nicht der richtige Ausdruck, dachte sie, er schien eher betrübt zu sein. Daher gingen sie zum Essen auch nicht wie üblich in eines der schicken Restaurants im Zentrum, sondern ins Malta Köşkü im Yıldız-Park.
»Ich hätte den Fall schon noch gelöst«, sagte Metin und schob den Auberginensalat lustlos auf seinem Teller hin und her. »Mit der Zeit hätte ich ihn gelöst. İkmen und ich haben gute Fortschritte gemacht. Aber dann hat man zuerst ihn zwangsbeurlaubt, und jetzt musste auch ich gehen.« Wütend fuchtelte er mit der Gabel in der Luft herum. »Ich war sogar im Fernsehen, ganz zu Anfang. Ein Star für fünfzehn Minuten. Und jetzt das.«
»Ich denke, du solltest dir vielleicht einmal überlegen, etwas anderes zu machen, Liebling«, erwiderte seine Frau und schenkte sich den restlichen Champagner ein. »Du weißt doch, dass ich jedes Projekt unterstützen würde, egal, wofür du dich entscheiden solltest.«
Er lächelte matt. »Ich weiß.«
»Ich hatte gehofft, dass du dir nach dem schrecklichen Erlebnis in Edirnekapı etwas anderes suchen würdest«, sagte sie. Die fruchtlose und blutige Auseinandersetzung mit einem osteuropäischen Drogenhändler hatte ihrem Mann damals sehr zugesetzt.
»Aber du weißt doch, dass ich das nicht kann, Belkis«, erwiderte er. »Ich muss diesen Job einfach machen, und ich will darin erfolgreich sein.«
Sie beugte sich vor und berührte seinen Arm. »Warum?«
»Weil ich im Grunde immer noch der Junge aus U mraniye bin, auch wenn du mich noch so gerne in Designeranzüge steckst und meine Begeisterung für die Literatur förderst. Ich bin damals zur Polizei gegangen, um dort rauszukommen, was mir ja auch gelungen ist. Ich habe eine gute Ausbildung erhalten und eine wunderschöne, erfolgreiche Frau geheiratet, aber vor ihnen muss ich mich immer noch beweisen«, sagte er, womit er auf seine verarmte Familie anspielte, die er wöchentlich besuchte.
»Aber das könntest du auch in einem anderen Beruf. Du kennst doch inzwischen so viele von den Leuten, mit denen ich arbeite.«
»Aber Polizist ist ein richtiger Männerberuf!«, sagte er, zog seinen Arm zurück und blickte über den bewaldeten Hügel hinunter zum Bosporus, der in der Ferne schimmerte. »Mein Vater und meine Brüder würden es nie verstehen, wenn ich jetzt ins Verlagswesen wechseln würde. Wenn ich deiner Firma beiträte, würden sie mich noch mehr für dein Schoßhündchen halten, als sie es ohnehin schon tun!«
»Metin, Liebster, du musst die Vergangenheit loslassen.«
Belkis stützte den Kopf in die Hände und seufzte. »Du bist ein sehr sensibler Mensch. Und wenn du dir Zeit nehmen und dich hinsetzen würdest, um alles niederzuschreiben, könntest du so viele Dinge bewältigen. Du bräuchtest gar nicht in meine Firma einzutreten. Ich weiß, dass tief in deinem Inneren ein Buch schlummert. Ich würde dich unterstützen …«
»Ach, Belkis, hör doch bitte auf!«, sagte er. Dieses Thema hatten sie schon so oft durchgekaut.
Belkis legte die Hände in den Schoß und senkte traurig die Augen. Ihrer Meinung nach gab es
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