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Im Gewand der Nacht

Im Gewand der Nacht

Titel: Im Gewand der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Nadel
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nicht auf der Wache, um es herauszufinden? Weil die beiden genau wie Berekiah an einem Ort waren, an dem sie nicht sein sollten. Auch er selbst war an einem Ort gewesen, an dem er nicht hätte sein sollen – und hatte mit einer Leinwandlegende über etwas geredet, das wie eine Mischung aus einem Spionagethriller und einer Geschichte aus Tausendundeiner Nacht klang.
    » Çetin Bey, wenn ich Hülya doch nur auf die übliche Weise den Hof machen könnte …«
    İkmen hob den Kopf. Der Junge wirkte so ernsthaft, so besorgt.
    »Ich liebe sie.«
    Und das stimmte offenbar. Trotz seiner Müdigkeit und trotz all der Geräusche und Gerüche, die ihn seit seinen Erlebnissen im Malta Köşkü fortwährend bedrängten, erkannte İkmen, dass Berekiah es absolut ernst meinte. Er liebte Hülya, und İkmen wusste, dass er bei all den Schwierigkeiten, die das Paar – hauptsächlich in Gestalt ihrer Mutter und seines Vaters – erwarteten, zumindest er ihnen eine Chance geben sollte. Schließlich hatte er stets erklärt, er wolle keinem seiner Kinder im Weg stehen, wenn wahre Liebe im Spiel sei. Noch vor kurzem hatte er zu Fatma gesagt, allerdings im Streit, die Kinder könnten seinetwegen alle Gibbons heiraten, solange die fraglichen Affen freundlich seien, eine feste Anstellung hätten und nicht allzu streng röchen. Doch wer immer der Verehrer auch sein mochte, jetzt war nicht der Zeitpunkt, um solche Fragen zu klären. Erst musste er seine Gedanken über die Geschehnisse des Abends sortieren. Im Augenblick konnte er sich nicht einmal erinnern, wie er aus dem Park herausgekommen war, geschweige denn sich einen Reim auf das Ganze machen.
    »Wir müssen ein anderes Mal darüber reden«, sagte er sanft.
    »Oh, damit du dich auf die Seite von Mama und Herrn Cohen schlagen kannst.«
    »Nein!« İkmen bemühte sich, nicht laut zu werden. »Nein, damit ich zu mir kommen und mich ein wenig ausruhen kann, Hülya.«
    »Hatten Sie heute Abend Schwierigkeiten, Çetin Bey?«, fragte Berekiah auf seine ernsthafte, zurückhaltende Art.
    »Ja.« Nun musste İkmen doch lächeln. »Ja, das kann man wohl sagen, Berekiah.«
    Worin diese Schwierigkeiten genau bestanden, galt es allerdings noch herauszufinden. Die Bedeutung des Harems ging über die bloße Befriedigung von ein paar gelangweilten Geschäftsmännern weit hinaus. Offenbar waren die Mächtigen der Welt zu Hikmet Sivas gekommen, um ihren geheimen und schändlichen Gelüsten nachzugehen. Und Sivas war so klug gewesen, alles aufzuzeichnen und die einflussreichsten und angesehensten Männer beim Missbrauch kleiner Mädchen zu fotografieren. Diese Bilder konnten die Welt verändern. İkmen versuchte zu begreifen, in welche Geschichte er da unversehens hineingestolpert war.
    »Ich glaube, es ist das Beste, wenn ich jetzt gehe«, sagte Berekiah und stand auf.
    Hülya wollte protestieren, doch die streng erhobene Hand ihres Vaters hielt sie zurück.
    »Ja, ich glaube, das ist eine sehr gute Idee, Berekiah«, sagte İkmen. »Im Augenblick sind wir alle zu müde und aus verschiedenen Gründen zu aufgewühlt, um über diese Dinge zu reden.«
    »Es tut mir Leid, Çetin Bey, dass ich …«
    »Geh einfach nach Hause und versuch zu schlafen, Berekiah«, unterbrach İkmen ihn. »Bring unseren Gast bitte zur Tür, Hülya.«
    Sobald die jungen Leute den Raum verlassen hatten, vergrub İkmen sein Gesicht erneut in den Händen. Was für ein Durcheinander! Er hatte keine Ahnung, wo Süleyman und İskender sein konnten oder wo Tepe steckte, und er wusste auch nicht, wie er es herausfinden sollte – was seinen überanstrengten Verstand an den Rand des Wahnsinns brachte. Dieses Mal habe ich es wirklich gründlich vermasselt, dachte er. Ich bringe alle in Gefahr, nur weil ich ständig wissen muss, was ich nicht wissen soll. Aber warum? Was treibt mich dazu, tiefer und immer tiefer zu graben, wie ein zwanghafter Archäologe?
    »Ich finde wirklich, dass wir jetzt reden sollten, Papa.«
    Hülya stand in der Tür und stemmte trotzig die Hände in die Hüften.
    İkmen seufzte. »Da bin ich anderer Meinung«, sagte er müde. »Du …«
    Das Klingeln des Telefons unterband jede weitere Unterhaltung. İkmen nahm den Hörer ab, während Hülya in der Tür stehen blieb und still vor sich hin kochte.
    »Hallo?«, meldete İkmen sich und fragte mit gerunzelter Stirn: »Zelfa? Was ist passiert?«
    Im Verlauf des Gesprächs wich sämtliche noch verbliebene Farbe aus İkmens Gesicht. Hülya beobachtete ihren Vater beunruhigt

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