Im Glanz der roten Sonne Roman
nichts an! Und du hast kein Recht, einen Flüchtigen bei dir zu verstecken!«
Jordan verlor die Geduld. »Und Sie haben kein Recht, Ihre Leute zu misshandeln, aber das scheint Sie nicht davon abzuhalten. Lassen Sie Dr. Bennett jetzt zu Letitia oder nicht?«
»Ich dachte wirklich, das hätte ich bereits deutlich genug gesagt!«
»Wir kommen zurück«, sagte Jordan entschlossen. »Und dann bringen wir Constable Hawkins mit!«
Max war sicher, dass der Constable es nicht wagen würde, gegen seine Wünsche zu handeln, doch der Blick, mit dem er Jordan bedachte, war voller eiskaltem Hass. »Tu, was du willst – aber weder ihr noch irgendjemand sonst wird ohne meine Einwilligung einen Fuß auf den Boden von Willoughby setzen!«
Jordan begriff nicht, wie Max Letitia gegenüber so rücksichtslos sein konnte. »Bedeutet Ihre Frau Ihnen denn so wenig?«, fragte er ungläubig und sah erstaunt etwas wie Betroffenheit im Blick des anderen aufblitzen – doch nur für einen Augenblick; dann legte sich wieder eiskalte Ablehnung auf Max’ Züge. Es überraschte sie alle, als er sich plötzlich Eve zuwandte. Eve fürchtete, er könne wieder irgendetwas sagen, das sie verletzte, und trat unwillkürlich einen Schritt zurück.
Durch die Gitterstäbe des Tores hindurch studierte Max ihr Gesicht auf der Suche nach etwas Vertrautem, irgendetwas, was ihm Aufschluss über ihren Vater geben konnte.
Er hatte sich nie etwas dabei gedacht, dass sie glänzendes dunkles Haar hatte und ebenso dunkle, mandelförmige Augen. Auch war es ihm nie seltsam erschienen, dass sie ganz anders war als Celia, Lexie und sogar Letitia. Die Mädchen waren ohnehin sehr verschieden, äußerlich und im Wesen; deshalb hatte es Max nie sonderlich gewundert, dass Eve ein wenig exotisch aussah. Was er dagegen niemals verstanden hatte, war die Tatsache, dass eines seiner Kinder mit einer ernsten Behinderung auf die Welt gekommen war. Jetzt aber verstand er es. Die Zeichen waren immer da gewesen, genau vor ihm, und er fühlte sich plötzlich wie ein Narr – von einer Frau betrogen, der er blind vertraut hatte.
Max schluckte schwer. Eve zu enterben, war eine Sache, doch zu erfahren, dass sie gar nicht sein Kind war, war etwas vollkommen anderes. Sein männlicher Stolz war verwundet, und zum ersten Mal gestand er sich ein, dass der Schmerz, der ihn erfüllte, von seinem gebrochenen Herzen stammte.
Er sah Eve als kleines Mädchen vor sich, wie sie tapfer versucht hatte, ihren stärkeren, geschickteren Schwestern bei jedem abenteuerlichen Spiel ebenbürtig zu sein. Jetzt endlich konnte Max Courtland vor sich selbst zugeben, dass er Eve stets für ihre Entschlossenheit und Unabhängigkeit bewundert hatte. Er war immer davon ausgegangen, dass sie ihre Zähigkeit von ihm geerbt hatte. Zum ersten Mal verstand er jetzt, warum Letitia es immer wieder aufgeschoben hatte, Eve nach ihren Operationen nach Hause zu holen. All die Jahre über hatte Letitia Angst gehabt, er könne die Wahrheit erahnen.
Verärgert merkte er, wie ihm die Augen feucht wurden. »Verschwinde ...«, murmelte er verlegen; dann wandte er sich ab und ging mit schwankenden Schritten davon.
»Ich bin noch ein paar Tage in der Stadt«, rief Dr. Bennett ihm nach. »Schicken Sie nach mir, wenn ich gebraucht werde.«
Max antwortete nicht.
Seit ihrem Sturz hatte Letitia in tiefer Bewusstlosigkeit gelegen, aus der sie nur hin und wieder für wenige Augenblicke erwachte. Celia und Lexie saßen die ganze Zeit bei ihr und hofften auf Besserung, doch Letitia schien eher schwächer zu werden. Beide Mädchen hatte es sehr getroffen, dass Letitia immer nur nach Eve fragte, wenn sie das Bewusstsein erlangte.
»Warum will Mutter unbedingt Evangeline sehen?«, fragte Lexie wieder und wieder.
»Ich weiß es nicht«, stieß Celia betroffen hervor. »Nach uns hat sie nicht ein einziges Mal verlangt. Ich verstehe das nicht!«
Die Mädchen blickten sich über das Bett hinweg an, und beide dachten dasselbe: Keine von ihnen wollte tun, was jetzt nötig schien, doch sie hatten kaum eine Wahl, wollten sie ihre Mutter retten.
Milo sah, dass Max schon seinen dritten Krug Rum leerte. »Sie können nicht so weitermachen, Boss!«, sagte er.
»Ich muss die Wahrheit wissen«, gab Max lallend zurück. »Wie würdest du dich fühlen, wenn jemand dir sagt, dass eins von deinen Kindern gar nicht von dir ist?« Dass Milo weder Frau noch Kinder hatte, war dabei unwichtig – als Mann, meinte Max, müsse er ihn verstehen.
Max saß
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