Im Glanz der roten Sonne Roman
wurde langsamer und wendete halb in der Auffahrt, ein paar Meter vor dem Tor. Eine zierliche Gestalt stieg aus, bevor der Wagen zurückfuhr: Es war Eve.
»Wo warst du?«, fragte Jordan, als sie ihn erreicht hatte. Sie glaubte, Zorn in seiner Stimme zu hören, und der Gedanke machte sie trotzig und wütend. Sie hatte sich vorgenommen, nur zurückzukehren, um Gaby alles zu erklären, denn sie wollte die Freundin um keinen Preis belügen. Der Gedanke an Gaby hatte sie die ganze Nacht beschäftigt. Doch was Jordan betraf ...
»Ich werde mich nicht dafür entschuldigen, dass ich dir nichts von meiner Beziehung zu Max und Letitia Courtland erzählt habe. Für mich sind sie nicht meine Eltern ...«
»Eve ...«
»Ich muss mich vor niemandem rechtfertigen. Max Courtland ist ein abscheulicher Mensch, und ich habe keine Beziehung zu meiner Mutter und meinen Schwestern. Meine Schwestern sagen jedem, ich sei nur eine entfernte Cousine, was mir sehr recht ist, denn in meinen Augen sind sowohl Celia wie auch Lexie oberflächlich und eingebildet. Für mich sind meine Tante und mein Onkel meine richtigen Eltern, weil sie mich erzogen und geliebt haben.«
»Eve ...«
»Wenn du mir etwas sagen willst, dann sag es, in Gottes Namen.«
»Bitte, Eve, vergiss diese ganze Geschichte erst einmal. Letitia ist etwas zugestoßen.«
Eve starrte ihn an.
»Elias ist hier. Er wurde schon wieder schlimm zusammengeschlagen.«
»Was meinst du damit – schon wieder ? Und was ist mit meiner Mutter?« Plötzlich hatte Eve die Ahnung, dass ihre Mutter versucht haben könnte, sie zu verteidigen, und dass Max ihr im Zorn etwas Schreckliches angetan hatte.
Jordan seufzte. »Vor ein paar Tagen erzählte mir Letitia, Max habe Elias so furchtbar geschlagen, dass sie um sein Leben fürchtete. Ich sagte ihr, dass es hier bei uns immer Arbeit für Elias gibt, und zum Glück war er vernünftig genug herzukommen – allerdings erst, nachdem Milo Jefferson ihn fast bewusstlos geprügelt hatte. Er ist nachts über die Felder gekrochen und hat mir gesagt, deine Mutter sei die Verandatreppe hinuntergefallen und habe eine schlimme Kopfwunde. Anscheinend will Max keinen Arzt rufen, aber ich habe gerade Ryan losgeschickt, um den Doktor aus Babinda zu holen. Er kann dann auch gleich nach Elias sehen.«
»Woher weißt du, dass Max für Mutter keinen Arzt rufen will?«
»Nachdem sie gestürzt war, haben Elias und Milo sie ins Haus getragen. Elias sagte, Max habe zuerst unter Schock gestanden. Aber etwas später haben er und Milo offenbar über Letitias Verletzung gestritten. Elias meinte, Max habe darauf bestanden, dass sie keinen Arzt braucht, und obwohl Milo anderer Meinung war, konnte er nichts tun. Ich hoffe, Celia oder Lexie konnten Max zur Vernunft bringen, aber ich wollte mich nicht darauf verlassen.«
Eve war völlig verstört. »Wenn Max so dickköpfig ist, können weder Lexie noch Celia ihn umstimmen. Und dir wird er schon gar nicht erlauben, einen Arzt für meine Mutter zu holen.«
»Vielleicht nicht«, meinte Jordan. »Aber du hättest das Recht dazu.«
Eve seufzte. »Nach meinem Zeitungsartikel wird Max michnicht einmal in die Nähe des Hauses lassen, egal ob mit einem Arzt oder ohne. Ich kann nichts tun, Jordan – und Letitia ist nicht mein Problem, oder?« Sie hob trotzig das Kinn, wandte sich halb ab und kämpfte gegen die Tränen.
Jordan durchschaute sie sofort: Sie glaubte, ihrer Mutter nicht helfen zu können; deshalb war es leichter für sie, Gleichgültigkeit vorzutäuschen, als ihre Hilflosigkeit und Verzweiflung zu gestehen.
21
E ve! Wo hast du gesteckt?«, fragte Gaby, als sie durch die Hintertür hereinkam. Eve blickte über die Schulter Jordan an, und ihr Trotz schwand angesichts seiner rührenden Sorge um ihre Mutter.
»Ich habe heute Nacht bei Mary Foggarty geschlafen. Sie wohnt in Geraldton, nicht weit vom Gemeindesaal, in dem ... der Erntedankball stattfand.«
»Ach so.« Gaby runzelte die Stirn. »Ich wünschte, du hättest uns gesagt, dass du nicht nach Hause kommst – wir haben uns Sorgen um dich gemacht.« Dann bedachte Gaby Jordan mit einem forschenden Blick. Sie fand, dass auch er einen sorgenvollen Eindruck machte. Nachdenklich wandte sie sich wieder Eve zu. »Hattest du denn einen schönen Abend, und hast du genug Material für deinen Artikel gesammelt?«
Eve konnte dem vertrauensvollen Blick von Gabys blauen Augen nicht mehr standhalten. Sie kam sich wie eine Verräterin vor. »Nein, Gaby. Ich hatte keinen
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