Im Glanz der roten Sonne Roman
anderen Seite wusste Milo nicht, was geschehen wäre, hätte er nichts gesagt. In dieser Situation gab es für ihn nicht viel zu gewinnen, nur etwas zu verlieren.
Sein Leben.
Milo tat einen tiefen Atemzug. Er wusste, dass die nächsten Augenblicke sein Schicksal besiegeln würden.
22
I ch muss mich bei Ihnen entschuldigen«, sagte George Bennet zu Jordan, als sie wieder auf dem Wagenbock saßen und die Tore Willoughbys hinter sich ließen.
Jordan atmete tief aus, um auf diese Weise etwas von seiner Wut loszuwerden. »Schon gut, Dr. Bennett. Ich mache Ihnen keinen Vorwurf, dass Sie vom Schlimmsten ausgehen. Meistens dürfte Ihr Zynismus begründet sein – auf jeden Fall bei Maximillian Courtland.«
George Bennett erkannte bei Jordan dieselbe Bitterkeit, die ihn selbst erfüllte. »Das sehe ich auch so, aber Sie haben mir immerhin ein wenig von meinem Glauben an die Menschheit wiedergegeben. Um ehrlich zu sein, habe ich in letzter Zeit öfters mit dem Gedanken gespielt, meinen Beruf an den Nagel zu hängen. Ich sehe so viel Grausamkeit gegenüber den kanakas , dass es mir immer schwerer fällt, damit fertig zu werden. Aber wenn jemand wie Sie für Veränderungen zu kämpfen bereit ist, sehe ich einen Funken Hoffnung auf eine bessere Zukunft.«
»Sie dürfen nicht aufhören, Dr. Bennett«, sagte Eve. »Ich weiß nicht, was wir ohne Sie tun würden! Die Leute aus Geraldton bemühen sich schon seit Jahren um einen eigenen Arzt, aber bisher ohne Erfolg.«
Dr. Bennett seufzte. »Nur wenige Ärzte gehen in ländliche Gegenden, denn auf dem Land muss man weite Strecken zurücklegen, um zu den Patienten zu gelangen, und Bezahlung erhält man nur selten. Da braucht ein Arzt viel Idealismusund Nächstenliebe. Sie werden sich wohl nicht an meine Tochter erinnern, Eve, aber Rachel hat kürzlich ihr Examen an der medizinischen Fakultät von Brisbane abgelegt.«
»Rachel ... nein, ich kann mich nicht an sie erinnern, aber Sie müssen sehr stolz auf Ihre Tochter sein. Hat sie Aussichten auf eine Anstellung an einem der Krankenhäuser in der Stadt?«
»Das bezweifle ich. Sämtliche freien Stellen werden an männliche junge Ärzte vergeben, und bei den Arztpraxen werden Frauen nicht als Partnerinnen akzeptiert, eben weil sie Frauen sind.«
»Hätte Rachel Interesse, unsere Ärztin zu werden?«, fragte Jordan aufgeregt. »Ich würde ihr in der Stadt ein Haus mieten und für alles sorgen, was sie sonst noch braucht.«
George Bennett und Eve blickten Jordan überrascht an.
»Das ist sehr großzügig von Ihnen«, meinte Bennett.
»Und eine wundervolle Idee!«, fügte Eve hinzu.
»Ich bin sicher, meine Tochter wäre froh über eine solche Chance. Ich hätte ihr natürlich auch geholfen und sie in meine Praxis aufgenommen. Aber viele meiner Patienten würden sich weigern, sich von ihr behandeln zu lassen, weil sie jung ist und noch dazu eine Frau. Die meisten Menschen hier auf dem Land halten am Althergebrachten fest. Aber wenn meine Tochter ihre eigene Praxis hätte ...«
»Diese Stadt braucht dringend einen Arzt«, erklärte Jordan, »und deshalb wird es nicht lange dauern, bis ihr Wartezimmer täglich gut gefüllt ist.«
George Bennett bat Jordan, ihn in »San Remo« abzusetzen, wie Alberto Santinis Plantage hieß, die ungefähr vier Meilen von Eden entfernt lag. Er wollte nach einem der Kinder sehen, das an wiederkehrendem Fieber und ständigen Halsentzündungen litt. »Ich kann nach Eden laufen, wenn ich fertig bin«, sagte er und stieg mit seinem Arztkoffer vom Wagen.
»Ich könnte Ryan O’Connor schicken, um Sie abzuholen«, bot Jordan an, doch George blieb hartnäckig.
»Ich rate meinen Patienten immer, sich viel zu bewegen, also muss ich selbst auch danach handeln.«
»Wir warten mit dem Abendessen auf Sie«, rief Jordan, als sie davonfuhren.
Eve lachte herzlich. »Ich glaube, Dr. Bennett wird keinen Hunger mehr haben, wenn er kommt«, sagte sie leise. »Er liebt die italienische Küche, und Pia Santini ist offenbar eine begnadete Köchin. Er schwärmt immer von ihren wundervoll gewürzten italienischen Würsten, Lasagne, Tortellini und dem Kuchen. Wenn er die Santinis verlässt, wird er rundum satt sein. Das ist auch der Grund, warum er zu Fuß gehen will.«
»Ist das Kind denn wirklich krank?«
»Wahrscheinlich nicht.«
Während sie weiterfuhren, spürte Jordan Eves Blick auf sich ruhen. Nach einer Weile schaute er sie an. »Was hast du, Eve?«
»Tut mir Leid, dass ich dich so angestarrt habe. Ich dachte
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