Im Glanz der roten Sonne Roman
war.
Max stieg vom Pferd und machte ein paar unsichere Schritte auf Jordan und Eve zu. Kurz vor der Veranda warf er seine Zigarre mit einer zornigen Bewegung zu Boden, doch Jordan verzog keine Miene.
Viele Dinge schossen Max durch den Kopf, Gedanken und Erinnerungen. Jordans Drohung fiel ihm ein, mit den Frauen in seinem Leben »eng vertraut« zu werden. Er dachte an den Abend, an dem Patrick Hale gestorben war und daran, wie undankbar dieser auf das Angebot reagiert hatte, ihre Zwistigkeiten beizulegen. Max erinnerte sich daran, dass er immer der Meinung gewesen war, Patrick sei nicht gut genug für Catheline, und er wusste noch genau, was sie ihm an ihrem Todestag gesagt hatte ...
Max hasste die Hales mit aller Leidenschaft, zu der er fähig war, und er wollte, musste Jordan verletzten. Er sah, dass dieser sich schützend vor Eve gestellt hatte, und er begriff, dass sie für ihn viel mehr als nur eine Hilfe auf der Plantage war. Eve war der Trumpf in Max’ Ärmel, und er war sich nicht zu fein, Eve zu benutzen, um seinen Feind zu zerschmettern.
Der letzte klare Gedanke, der ihm durch den Kopf schoss,bevor er den Mund öffnete, war die Erinnerung an Letitias Worte vor ihrem Sturz: Sie hatte gesagt, sie wolle diejenige sein, die Eve die Wahrheit sagte – dass nicht Max, sondern ein anderer ihr Vater war.
Der Teufel soll sie holen, dachte Max. Dieses Vergnügen wird sie mir nicht nehmen – nicht nach allem, was sie mir angetan hat.
»Jetzt ergibt alles einen Sinn!«, lallte er. »Ich habe immer gewusst, dass du nicht meine Tochter sein konntest!«
Eve erschrak und tastete nach einem sicheren Halt, den sie an Jordans Arm fand. Sie war darauf vorbereitet gewesen, dass Max beleidigend wurde, aber das hier ...
»Wahrscheinlich hat dich irgendein hergelaufener kanaka gezeugt. Wenn das kein guter Witz ist!«
Eve starrte Max an. Sie konnte kaum begreifen, was er eben gesagt hatte. Er lügt, dachte sie. Er will mich nur noch mehr verletzen ...
Jordan blickte auf Eve hinunter, die neben ihm klein und verletzlich wirkte. Er sah die Empfindungen, die sich auf ihren müden Zügen spiegelten: Unglauben, Erschrecken und dann Schmerz angesichts der endgültigen Ablehnung. Jordan war sicher, dass Max ihr nur wehtun wollte, doch seine Worte waren so schmerzhaft, als hätte er ihr ein Messer ins Herz gestoßen. Jordan konnte nicht glauben, dass Max so grausam war, nach allem, was Eve schon hatte durchmachen müssen.
Er starrte Max an – und plötzlich sah er den Abend, an dem sein Vater gestorben war, so deutlich vor sich, als wäre es erst gestern gewesen. Auch damals hatte Max keine Skrupel gehabt, grausam zu sein ...
»Halten Sie den Mund, Courtland!«, rief Jordan schneidend. »Sie sind betrunken und wissen nicht, was Sie sagen.«
Jordan war klar, dass Max sehr wohl wusste, was er sagte, ob es nun der Wahrheit entsprach oder nicht, doch er wollte ihn zum Schweigen bringen.
Max beachtete ihn nicht. »Du glaubst mir wohl nicht?«, sagte er, den starren Blick unverwandt auf Eve gerichtet. Er hatte gehofft, es würde sein eigenes Leid ein wenig lindern, wenn er ihren Schmerz sah, doch so war es nicht. Er fühlte sich nur leer und ausgelaugt. »Es stimmt aber«, murmelte er, und in seiner Stimme lag Trauer. »Deine Mutter hat es mir gestanden. Nicht ich bin dein Vater, sondern einer unserer Feldarbeiter, auch wenn du es nicht glaubst. Du bist eine halbe kanaka .«
In diesem Augenblick stürmte Jordan los. Max sah den Schlag nicht kommen, doch im nächsten Moment lag er schon auf dem Rücken und stöhnte vor Schmerz.
»Nicht, Jordan!«, rief Eve, kam zu ihm geeilt und schaute auf den Mann hinunter, den sie ihr Leben lang für ihren Vater gehalten hatte. »Lieber bin ich eine reinblütige kanaka , als dein verdorbenes Blut in den Adern zu haben«, sagte sie. Diese Worte zehrten den letzten Rest von Selbstbeherrschung auf, den Eve noch besaß. Sie wandte sich um und rannte davon, in Tränen aufgelöst.
Gaby und Frankie standen im Hausflur. Eve erfasste mit einem Blick, dass sie jedes Wort gehört hatten. Sie hatte vermeiden wollen, dass Gaby auf diese Weise die Wahrheit erfuhr, doch jetzt war es zu spät. Gaby und Frankie traten stumm zur Seite, um Eve vorbeizulassen.
Eve wünschte sich nichts anderes, als so viele Meilen wie möglich zwischen sich und Maximillian Courtland zu bringen. Sie eilte durchs Haus und zur Hintertür hinaus. Ihre Schritte waren unsicher, und sie stolperte mehr, als sie ging. Augenblicke
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