Im Glanz der roten Sonne Roman
plötzlich klein und verwundbar. Verlegen bedeckte sie ihre Brüste mit den Armen.
»Ich würde Eve niemals wehtun«, sagte er rau. »Ich ...« Jordan hielt inne. Er hatte sagen wollen, dass er Eve liebte. »Geh nach Hause, Alexandra«, murmelte er und ging am Ufer entlang davon. Lexie blieb allein zurück und schaute ihm nach.
Jordan hatte in letzter Zeit zwar ständig an Eve gedacht, doch als ihm klar wurde, dass er sie liebte, war er erstaunt, ja fassungslos. Es war ungewohnt für ihn, tiefere Gefühle für eine Frau zu empfinden und von dem Wunsch beseelt zu sein, sie glücklich zu machen. Diese Erkenntnis erstaunte ihn, machte ihn aber auch unsicher, denn er konnte nicht mit ihren Gefühlen spielen, wie er es bei anderen Frauen in der Vergangenheit getan hatte. Er durfte Eve nicht verletzen oder ihr das unschuldige Vertrauen nehmen, und er wollte nicht der erste Mann sein, der ihr das Herz brach. Er hatte nie darüber nachgedacht, warum er stets eine gewisse Distanz zu den Frauen in seinem Leben gewahrt hatte. Jetzt begriff Jordan, dass es etwas mit seiner Mutter zu tun haben musste ...
Lexie war wie vor den Kopf gestoßen. Der Abend hatte sich ganz anders entwickelt als geplant.
»Er liebt Evangeline ...«, flüsterte sie, als sie aus dem Wasser stieg und ihr Kleid überstreifte. »Wie kann ein Mann wie Jordan sich in eine Frau wie sie verlieben?« Obwohl Lexie sich durch die Zurückweisung gedemütigt fühlte, stieg auch Neid in ihr auf, und als sie sich schließlich zum Gehen wandte, schmiedete sie Rachepläne.
Jordan ging unruhig über die Veranda und blieb ab und zu stehen, um über die Felder zu blicken, die im silbernen Mondlicht lagen. Er dachte an seine Mutter. Zum ersten Mal seit Jahren konnte er sich deutlich an ihr Gesicht erinnern. Ihr Bild stand ihm so klar vor Augen, als stünde sie neben ihmund würde ihn mit ihrem gütigen Blick anschauen. Er lächelte in der Dunkelheit.
»Es tut mir Leid, dass ich an dir gezweifelt habe«, flüsterte er. Ihr Lächeln schien zu sagen, dass sie ihn verstand.
»Ich weiß, dass du Vater niemals betrogen hättest«, sagte er. »Ihr habt euch so geliebt, wie ich es auch erleben möchte ... und wie ich es mit einer Frau wie Eve erleben kann ...«
Kurz entschlossen ging Jordan zur Arbeiterbaracke hinunter. Er wusste, dass Nebo nicht viel schlief, und war deshalb nicht überrascht, ihn unter einem Baum sitzend anzutreffen, wo er dem Gesang der Zikaden lauschte und die kühle Nachtluft genoss.
Nebo hatte mit Genugtuung beobachtet, dass Alexandra schon kurz nach ihrer Ankunft wieder gegangen war. Nebo ahnte, dass sie gekommen war, um Jordan zu verführen, doch er wusste auch, dass Jordan und Eve einander inzwischen sehr nahe standen. Nebo hatte darauf vertraut, dass Jordan das Richtige tun würde – und Jordan hatte ihn nicht enttäuscht.
»Können Sie auch nicht schlafen, Master Jordan?«
»Nein, Nebo. Ich muss über vieles nachdenken.«
Der alte Mann nickte. »Erinnern Sie sich noch an die langen Gespräche, die wir geführt haben, als Sie ein Junge waren?«
»Ja«, gab Jordan lächelnd zurück. »Ich bin mit meinen Problemen immer zu dir gekommen, und du hast mir jedes Mal die Antworten gegeben, die ich brauchte.« Jordan hatte seinen Vater nicht zu oft fragen wollen; er hatte schon als kleiner Junge gewusst, wie schwer Patrick an der Verantwortung und Sorge um die Plantage trug.
»Ich habe immer gesagt, dass es gut ist, über alle Dinge zu reden, Master Jordan. Ihr Vater hat seine Probleme mit mir geteilt. Ihre Mutter ebenfalls.«
Jordan schaute Nebo überrascht an.
»Miss Eve und ich verstehen uns auch gut«, fügte Nebo hinzu.
»Meine Eltern ... Sie haben einander geliebt, nicht wahr, Nebo?«
»O ja, Master Jordan. Ich habe nie zwei Menschen gesehen, die einander mehr liebten.«
Jordan nickte. Nun, da die leisen Zweifel ihn nicht mehr quälten, fühlte er sich endlich ruhig und unbelastet. Sein Herz und sein Geist waren frei. »An dem Abend, an dem mein Vater starb, ist Max Courtland zum Haus hinauf gekommen«, sagte er leise.
Nebo hatte immer den Verdacht gehabt, dass an jenem Abend etwas vorgefallen sein musste. »Was wollte er, Master Jordan?«
»Angeblich wollte er sein Beileid aussprechen. Aber dann hat er einige sehr grausame Dinge gesagt, die mein Vater nicht ertragen konnte.«
»Was für Dinge, Master Jordan?«
»Max hat meinen Vater beschuldigt, nicht offen zu sagen, woran meine Mutter gestorben sei. Er behauptete, sie habe
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