Im Glanz der roten Sonne Roman
Stickereien versehen, doch auf der Frisierkommode herrschte ein schreckliches Durcheinander aus Parfümflaschen und billigem Schmuck, Haarspangen und Puderdosen. Das Bett war breit; ein durchsichtiges Nachthemd lag darüber gebreitet. Auf dem Nachttisch saßen Puppen, was Eve überraschte. Das Zimmer war nicht nach ihrem Geschmack eingerichtet, doch bei dem Anblick musste sie unwillkürlich darüber nachdenken, wie ihr Leben – und sie selbst – sich entwickelt hätten, wäre sie im Haus ihrer Eltern aufgewachsen.
Es überraschte Eve nicht, die Schwester in einem weißen Volantkleid vor einem großen Wandspiegel anzutreffen, in dem sie sich mit zufriedener Miene musterte. Sie war offensichtlich in Tagträumereien versunken und in Gedanken weit fort. Eve nahm an, dass Lexie an jemanden in Eden dachte, und Ärger schoss in ihr hoch.
»Was strahlst du denn so?«, fragte sie in die Stille hinein.
Erschrocken fuhr Lexie herum und starrte sie an. Eve stand im Türrahmen der offenen Verandatür, die Arme vor der Brust verschränkt, und hatte eine unergründliche Miene aufgesetzt.
Lexies Augen wurden schmal, und sie verzog verächtlich den Mund, während sie Eves Hut, das karierte Hemd, das voller Mangosaftflecken war, und die Reithose musterte. In ihren Augen glich ihre Schwester eher einem Stallburschen als einer aus der Art geschlagenen Tochter eines der reichsten Plantagenbesitzer an der Cassowary-Küste.
»Was hast du hier zu suchen?«, fragte sie kalt.
»Es geht wohl eher darum, was du gestern Abend spät noch in Eden zu suchen hattest«, konterte Eve.
Lexie hob fragend eine Augenbraue, und in ihrem Blick blitzte Trotz auf. »Das geht dich nichts an!«
»Mich vielleicht nicht, aber was sagen Vater und Mutter dazu, dass du dort ein und aus gehst?«
Lexie musterte Eve finster, die vollen Lippen zusammengepresst.
»Sie wissen nichts davon, nicht wahr?«, sagte Eve und spürte, dass sie ihrer hochnäsigen Schwester gegenüber zum ersten Mal einen Trumpf in der Hand hatte.
»Und du wirst es ihnen nicht sagen, Evangeline! Falls doch, werde ich Vater erzählen, dass du mit einem alten kanaka in Eden gelebt und Jordan Hale genötigt hast, dir Arbeit zu geben und dich dort zu dulden. Wie, glaubst du, würde Vater darüber denken?«
»Ehrlich gesagt wäre es mir egal – aber genötigt habe ich niemanden.«
Lexie schaute sie zweifelnd an. »Dann hat Jordan dir die Stelle wohl aus Mitleid angeboten, weil du kein Zuhause hattest, oder weil du ein ... Krüppel bist?« Sie blickte vielsagend auf Eves Hüfte.
Eve schäumte innerlich vor Zorn. Der Gedanke, dass jemand sie bemitleiden könnte, war ihr unerträglich – genau das, was Lexie beabsichtigt hatte. »Jordan ist mir dankbar, dass ich ein Auge auf das Haus und den alten Nebo gehalten habe«, sagte sie. »Er war froh, dass ich geblieben bin. Natürlich habe ich darauf bestanden, mich nützlich zu machen.« Eve war sich bewusst, dass sie die Wahrheit sehr großzügig auslegte, doch in ihren Augen war das nur ein Ausgleich für die Sichtweise der Schwester.
»Wirklich? Erwartest du im Ernst, dass ich dir glaube, Jordan läge etwas an diesem alten kanaka ? Und dass du tatsächlich kochen kannst?«
Eve bebte vor Zorn. »Nebo ist für Jordan wie ein Familienangehöriger, und ich kann kochen!«
Lexies Blick war voller Bosheit, als sie erwiderte: »Dann isst du offensichtlich nicht, was du den anderen zumutest. Eine alte Krähe hat mehr Fleisch auf den Knochen als du.«
Wie grausam Lexie sein konnte! »Ich verstehe gut, warum du dir nicht vorstellen kannst, dass ich Talent zum Kochen habe. Du selbst hast nämlich nur ein einziges Talent – dich Männern an den Hals zu werfen!«
»Jordan schien es nicht sehr eilig zu haben, mich loszuwerden«, erwiderte Lexie selbstzufrieden. »Wie würde er es finden, wenn Vater nach Eden gestürmt käme, um seine Tochter zurückzuholen?«
Eve schlug das Herz bis zum Hals, doch sie bemühte sich, so gleichgültig wie möglich zu sprechen. »Warum sollte er sich die Mühe machen? An mir liegt ihm ebenso wenig wie an dir.«
»Ich habe ja auch nicht gesagt, dass ihm etwas an dir liegt. Ihm geht es um den Namen Courtland.«
Lexies Worte trafen Eve bis ins Innerste, doch sie verbarg ihre Gefühle noch immer hinter einer gleichgültigen Miene. »Ich benutze den Namen Courtland doch gar nicht«, gab sie kühl zurück.
»Und dafür sollten wir dankbar sein.« Lexie starrte sie feindselig an. »Jordan weiß nicht, dass du eine
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