Im Glanz der roten Sonne Roman
hatte Letitia erwartet, seit Jordan ihr Erscheinen angekündigt hatte, und nun versetzte ihr Äußeres Gaby in Erstaunen. Gaby – die sich in dem Kleid, das sie seit Tagen trug, schrecklich unwohl fühlte – konnte den Blick nicht von Letitias elegantem Kostüm wenden. Noch nie hatte sie etwas so Schönes gesehen.
Jordan war Letitia auf der Zufahrt entgegengekommen und hatte ihr versichert, die Männer aus Babinda befänden sich nicht mehr auf der Plantage. Ihm entging nicht, dass Letitia große Mühe auf ihr Äußeres verwendet hatte, und er wusste nur zu gut, dass sie sich für ihn so herausgeputzt hatte.
»Leider wusste ich Ihre Größe nicht, Mrs Malloy, aber ich habe ein paar Sachen mitgebracht«, erklärte Letitia und öffnete die Tasche, die sie bei sich trug.
»Aber das wäre doch nicht nötig gewesen«, erwiderte Gaby verlegen. »Wie ich Jordan gestern Abend schon sagte, kann ich mir selbst etwas nähen, sobald ich in die Stadt komme, um den Stoff und alles andere einzukaufen.« Noch während sie sprach, konnte sie der Versuchung nicht widerstehen, einen Blick in die Tasche zu werfen. Ihre Augen weiteten sich, als sie die wunderschönen Stoffe sah, aus denen die Sachen geschneidert waren, die Letitia mitgebracht hatte. Letitia musste ihren eigenen Kleiderschrank geplündert haben, denn die Stücke waren von derselben Qualität wie das Kostüm, das sie trug.
»Es war sehr freundlich von Ihnen, dass Sie hergekommen sind, aber das kann ich wirklich nicht annehmen«, sagte Gaby mit brennenden Wangen.
Letitia bemerkte den verschreckten Ausdruck im Blick der jungen Frau und erriet, was sie empfand. Aus Erfahrung wusste sie, dass die meisten Menschen in Gabys Lage so reagierten: Sie fühlten sich gedemütigt.
»Ich kann mir kaum vorstellen, wie schrecklich es sein muss, durch einen Brand alles zu verlieren«, sagte sie. »Es tut mir Leid, dass diese Sachen schon getragen sind, aber wir sind von Spenden abhängig. Wenn Sie mir sagen, was Ihr Mann und die Kinder brauchen, finden wir auch etwas für sie.«
Gabys Unsicherheit legte sich ein wenig, als Letitia darauf hinwies, dass die Kleider gespendet worden waren, also nicht von ihr selbst stammten. Gaby fand, dass Letitia sehr nett und ungekünstelt war, nicht im Geringsten eingebildet oderherablassend, trotz ihres offensichtlichen Reichtums. Sie hatte Jordan nicht einmal zurechtgewiesen, als er sie nur mit Vornamen vorstellte. Deshalb schwand das Gefühl der Demütigung rasch, doch Gaby vermochte den Blick noch immer nicht von Letitias Kostüm zu wenden. Es drängte sie, den Stoff zu berühren, der so leicht, so weich, so kostbar aussah wie die besten Stoffe aus dem Modekatalog, den sie einmal gesehen hatte. »Bitte, verzeihen Sie meine schlechten Manieren«, stammelte sie. »Trinken Sie eine Tasse Tee mit mir – natürlich nur, wenn Sie Zeit haben. Ich hatte ganz vergessen zu fragen. Oder sind Sie noch irgendwo zum Tee oder zum Frühstück eingeladen?«
»Nein ...« Letitia blickte an ihrem Kostüm herunter. Gaby glaubte offenbar, dass sie sich aus irgendeinem offiziellen Anlass so elegant gekleidet hatte. »Ich fahre später noch in die Stadt, aber eine Tasse Tee würde ich gern trinken.« Letitia spürte, wie sie errötete, als sie Jordans Blick auf sich gerichtet sah. Er sollte nicht wissen, dass sie sich eigens für ihn so hübsch gemacht hatte.
»Ich werde Eve bitten, Ihnen Tee zu bringen«, sagte Jordan. Er nahm an, dass Gaby sich ungezwungener fühlte, wenn er sie mit Letitia allein ließ.
»Eve ist von einem Besuch in der Nachbarschaft noch nicht zurück«, erklärte Gaby.
Jordan hörte es mit Verwunderung. Eve hatte ihm gar nichts von einem Besuch bei einem der Nachbarn gesagt. Auch Letitia war überrascht: Es gab nur drei Nachbarn, und sie selbst war einer davon. Doch sie versuchte, sich nichts anmerken zu lassen.
»Ich werde den Tee selbst aufbrühen«, erklärte Gaby.
»Das mache ich schon, Gaby«, sagte Jordan. »Sie beide haben sich bestimmt viel zu erzählen.«
»Lassen Sie Mrs Malloy bitte den Tee machen, Jordan«, bat Letitia nervös. »Ich möchte Sie nicht kränken, aber sie kann essicher besser. Leisten Sie mir ein paar Minuten Gesellschaft, solange Mrs Malloy fort ist.«
»Aber gern«, erwiderte Jordan. Er spürte, dass Letitia von Anfang an darauf gehofft hatte, eine Zeit lang mit ihm allein sein zu können.
»Bitte sagen Sie Gaby zu mir, Mrs Courtland«, murmelte die junge Frau und warf noch einen verstohlenen Blick in die
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