Im Glanz der roten Sonne Roman
Seele lag. »Was macht Ihnen Sorgen, Miss Eve? Dass Miss Lexie Master Jordan sagen könnte, dass Sie eine Courtland sind?«
»Das wird sie nicht tun. Sie weiß, dass ich Vater dann von ihrem heimlichen Besuch hier in Eden erzähle, und davor hat sie Angst. Ich würde es ja tun, aber Vater darf nicht wissen, dass ich hier bin – er würde eine schreckliche Szene machen. Nicht weil ihm etwas an mir liegt; ich bin ihm egal. Aber er will nicht das Gesicht verlieren.« Eve seufzte verzweifelt und rieb sich die schmerzende Hüfte, als sie an die Beleidigungen dachte, die zusammen mit Lexies Schminkzeug und dem falschen Schmuck von ihrer Frisierkommode durchs Zimmer geflogen waren. »Ich weiß, dass Jordan tun und lassen kann, was er will, Nebo, aber ich habe das Gefühl, Lexie dringt in mein Leben ein. Als ich ihr sagte, sie soll sich von Eden fern halten, bekam sie einen Tobsuchtsanfall. Ich habe Eden immer als sicheren Hafen empfunden. Hier war niemand außer dir und mir. Und jetzt wird plötzlich alles anders ...«
»Weshalb fürchten Sie eigentlich so sehr, Master Jordan könnte herausfinden, dass Sie eine Courtland sind, Miss Eve? Wenn Lexie gestern Abend hier war, scheint es ihn nicht sehr zu stören, wenn jemand mit Master Courtland verwandt ist.«
»Ich weiß, Nebo, das ist ja das Seltsame. Ich habe ihrGespräch nicht von Anfang an gehört, deshalb weiß ich nicht, ob Jordan mit Lexie über Vaters Versuche gesprochen hat, ihm Steine in den Weg zu legen. Aber ich bin trotzdem überrascht, dass er Lexie nicht gleich fortgeschickt hat. Andererseits hing ihr Busen fast aus dem Kleid, und sie hat sich Jordan mehr als deutlich angeboten.« Eve schüttelte verächtlich den Kopf. »Sie hatte sogar die Frechheit, ihn zu fragen, ob sich hier Landstreicher herumtreiben. Du wirst es nicht glauben, Nebo – Jordan hat mich als ›Wächter‹ bezeichnet. Er hätte mich auch eine Landstreicherin nennen können, aber wie es aussieht, wollte er meinen Ruf schützen. Ich kann dir gar nicht sagen, wie erleichtert ich war, denn Lexie hätte nichts lieber gesehen, als dass Jordan schlecht über mich redet.«
Nebo lächelte. »Master Jordan ist ein guter Mann, Miss Eve. Es wird wie in alten Zeiten, wenn in Eden wieder Zuckerrohr wächst ... so, wie es war, als Master Patrick noch lebte.«
Eve senkte den Kopf. »Und was soll ich anfangen, wenn das Haus renoviert ist, Nebo? Falls ich mich nicht nützlich machen kann, wird Jordan mich fortschicken.«
Der alte kanaka runzelte die Stirn. »Hier gibt es sicher immer etwas für Sie zu tun, Miss Eve.«
Eve seufzte tief und wandte sich ab, um schweigend auf den träge dahinströmenden Fluss zu blicken. Nebo glaubte, ihr Zorn sei abgeklungen, und polierte die Vase weiter. Er blickte nicht auf, bis Eve leise fragte: »Nebo, sehe ich aus wie eine ... eine ...«
Ihre gequälte Miene brach Nebo fast sein müdes, altes Herz. »Was meinen Sie, Miss Eve?«
Sie hob das Kinn und bemühte sich um Fassung. »Sehe ich aus wie eine Frau?«
Nebo bemerkte die Röte auf ihren Wangen. Er ahnte, dass sie nichts mit Eves rascher Fahrt von Willoughby herüber zu tun hatte. »Warum fragen Sie so etwas, Miss Eve?«
Sie wandte sich ab, um ihre Verlegenheit zu verbergen. »Schon gut«, flüsterte sie.
Nebo hatte den Verdacht, dass Lexie irgendetwas Gemeines zu Eve gesagt haben musste, doch bevor er sie trösten konnte, wandte sie sich um. »Ich sehe zu, dass ich zum Haus zurückkomme und Frankie helfe.«
»Ich würde jetzt noch nicht gehen, Miss Eve.«
»Warum nicht?«
»Es könnte sein, dass Mistress Letitia noch in Eden ist.«
»Mutter? Was hat sie hier zu suchen?«
»Ich habe gehört, wie Master Jordan zu Missus Malloy sagte, dass Ihre Mutter sie heute besuchen kommt.«
Plötzlich begriff Eve, warum Letitia an diesem Tag so früh schon munter gewesen war. Sie hatte davon gesprochen, den Malloys durch ihren Wohltätigkeitsverein zu helfen.
»Soll ich nachsehen, ob sie schon fort ist, Miss Eve?«
»Nein, Nebo. Bleib du hier und ruh dich aus. Ich finde es schon allein heraus.«
»Aber wenn sie Master Jordan erzählt, dass Sie ihre Tochter sind ...?«
»Ich habe Mutter gesagt, dass Jordan es nicht erfahren soll, und sie ist klug genug, sich nicht zu verraten. Keine Angst, Nebo, ich werde vorsichtig sein.«
Eve näherte sich langsam dem Anwesen, konnte aber weder ihre Mutter noch Jordan entdecken. Als sie ins Haus ging, sah sie Gaby, die sich in einem ihrer neuen Kleider vor dem Spiegel
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