Im Hauch des Abendwindes
Oberschenkeln und den Knien Druck machen, so wie ich es dir gezeigt habe«, sagte Kadee.
Ruby tat es, aber der Esel rührte sich nicht vom Fleck.
»Drück ihm die Absätze in die Flanken«, riet Kadee.
Banjo bewegte sich keinen Millimeter.
Da stieg Kadee ab, stapfte zu einem kleinen Eukalyptusbaum am Rand der Bahn hinüber und brach einen an der Spitze belaubten Zweig ab. Sie ließ ihn prüfend durch die Luft sausen und nickte zufrieden. Als sie wieder aufgestiegen war, beugte sie sich zu Banjo hin, den Zweig wie eine Reitgerte in der erhobenen Hand.
»Was hast du vor?«, fragte Ruby stirnrunzelnd.
»Dem Burschen Beine machen. Festhalten!«
Sie gab Banjo mit dem Zweig einen Klaps auf die Kruppe, und der Esel setzte sich so plötzlich in Bewegung, dass Ruby um ein Haar abgeworfen worden wäre.
»Hilfe!«, kreischte sie erschrocken, obwohl nichts passieren konnte, weil Kadee immer noch den Führstrick in der Hand hielt.
»Keine Sorge, halt dich einfach fest und versuch, die Zügel und deine Beine einzusetzen.«
Ruby nickte ängstlich. Doch nachdem sie unter Kadees Anleitung ein paar Mal im Kreis über die Reitbahn geritten war, wurde sie sicherer und ihr Selbstvertrauen wuchs. Schließlich klinkte Kadee den Führstrick aus.
»Du machst das sehr gut«, lobte sie. Banjo schien anderer Meinung: Er tat seinen Unmut lautstark kund, und Bessie stimmte in sein Geschrei mit ein. Sooft er Anstalten machte, langsamer zu werden, schloss Kadee zu ihm auf und trieb ihn mit aufmunternden Worten an. Dennoch war ein leichter Trab die schnellste Gangart, zu der er zu bewegen war. Einige Male lief er im Zickzack über die Bahn, und Ruby hatte alle Mühe, ihn wieder auf Kurs zu bringen. Aber sie hielt ihm zugute, dass er schon alt war: vierundzwanzig, hatte Bernie gesagt und hinzugefügt, dass Esel dreißig Jahre und älter werden könnten. Obwohl es also ziemlich anstrengend war, auf dem störrischen Tier zu reiten, hatte Ruby viel Spaß. Sie und Kadee lachten viel.
Als sie zu guter Letzt zu den Koppeln vor den Stallungen zurückkehrten, war Ruby sehr zufrieden mit sich. Sie war nicht ein einziges Mal heruntergefallen! Kadees Anweisungen befolgend, stieg sie ab und nahm ihren Reithelm vom Kopf.
»Alle Achtung, fürs erste Mal hast du deine Sache ausgezeichnet gemacht«, sagte die junge Aborigine anerkennend.
Ruby strahlte. »Das hat wirklich Spaß gemacht. Ich kann’s kaum erwarten, wieder in den Sattel zu steigen.«
Kadee freute sich über ihre Begeisterung. Sie zeigte ihr, wie Sattel und Zaumzeug abgenommen und gepflegt wurden. Nachdem sie die Stute und den Esel mit dem Schlauch abgespritzt und anschließend die Tränken gereinigt hatten, erklärte Kadee ihr, dass die Hufe nach jedem Training kontrolliert und Steinchen oder Grasbüschel mit einem Hufkratzer entfernt werden müssten, weil das Tier sonst lahmen könnte.
»Und, was meinst du? Hab ich das Zeug zu einer Reiterin?«, fragte Ruby aufgeregt, als die Tiere versorgt und wieder in ihren Ställen waren.
»Abwarten. Mal sehen, wie du dich morgen anstellst«, erwiderte Kadee. Sie fand es erstaunlich, wie gut Ruby sich bei ihrer ersten Reitstunde gehalten hatte, wollte aber nicht zu optimistisch klingen.
In diesem Moment kam Mick in seinem Ute angefahren. Ruby war sicher, dass er nicht wollte, dass sie in der Dunkelheit allein und zu Fuß in die Stadt zurückkehrte. Es würde nicht mehr lange dauern, bis die Sonne untergegangen war; schon wurde es kühler.
Ruby streifte schnell die Reitstiefel von den Füßen und schlüpfte in ihre Schuhe. »Vergiss nicht, das ist unser Geheimnis«, flüsterte sie Kadee zu.
»Von mir erfährt keiner was«, versprach die junge Frau. »Hallo, Mick!«, rief sie, als er ausstieg. »Wie geht’s Jed?«
»Offenbar schon viel besser. Er kann einem fast schon wieder so fürchterlich auf die Nerven gehen wie vor seinem Unfall«, antwortete Mick trocken. Er sah Ruby an. »Jed möchte, dass du ihm berichtest, wie’s der Stute geht.«
Ruby hatte sich so etwas schon gedacht. »Und, was soll ich ihm sagen?«, fragte sie Kadee.
»Sag ihm, alles in Ordnung. Silver Flake zeigt keine Anzeichen von Schmerz oder Lahmheit; morgen werde ich das Training steigern.«
Ruby nickte. »Gut.«
Mick wandte sich an Kadee. »Kann ich dich mitnehmen?«, fragte er.
»Warum nicht?«, meinte die junge Frau.
Alle drei kletterten in den Pick-up. Unweit des Flusses ließen sie Kadee aussteigen und fuhren dann weiter nach Silverton.
Joe und Frankie Camilleri
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