Im Hauch des Abendwindes
Startliste gestrichen wurde. Es ist sicher Silver Flake, oder?« Ruby hielt unwillkürlich den Atem an.
»Nein, Wild Blue Yonder. Der Tierarzt will ihn wegen Verdachts auf Hufrehe nicht starten lassen. Die Besitzer sind außer sich, aber die Entscheidung des Tierarztes ist endgültig.«
Rubys Miene hellte sich auf. »Das bedeutet, Rick ist frei!«, sagte sie ganz aufgeregt.
Jed sah sie prüfend an. Der vertrauliche Ton, mit dem sie den Namen des Jockeys ausgesprochen hatte, war ihm nicht entgangen. »Ja, er wird auf Silver Flake an den Start gehen. Er ist zu mir gekommen, nachdem Wild Blue Yonder gestrichen wurde, und hat mir angeboten, für mich zu reiten. Ich war natürlich überglücklich, aber sein Angebot kam schon ein bisschen überraschend.«
»Das ist ja fantastisch!«, jubelte Ruby.
Sie hätte Jed vor lauter Freude am liebsten umarmt, aber sein Blick war so frostig, dass sie sich nicht traute. Plötzlich tippte ihr jemand auf den Kopf. Sie drehte sich um. Auf der anderen Seite der Absperrung stand Rick Paget. Er saß auf Silver Flake.
»Guten Morgen, Schlafmütze!«, grüßte er gut gelaunt. »Na, was macht dein Kater?« Er grinste.
Ruby war verlegen. »Danke, dass du Silver Flake reitest, Rick«, sagte sie.
»Nichts zu danken. Du warst letzte Nacht ziemlich überzeugend.«
Rick zwinkerte ihr zu. Dann tippte er die Stute mit der Reitgerte an und schloss zu den anderen Galoppern auf, die über den Platz geführt oder geritten wurden.
Ruby wünschte, die Erde würde sich auftun und sie verschlingen. Rick hatte soeben ihre schlimmsten Befürchtungen bestätigt. Aber wie konnte er sie so blamieren – in aller Öffentlichkeit, noch dazu vor Jed! Sie lief feuerrot an.
»Was meint er damit?« Jed war neben sie getreten. »Wie hast du es geschafft, ihn umzustimmen?«
Ruby holte tief Luft und sah ihm in die Augen. »Ich habe gestern Abend zu viel getrunken, aber ich weiß noch, dass ich Rick gebeten habe, auf Silver Flake an den Start zu gehen, und dass ich ihm von dem Überfall auf dich und dem Angriff auf die Stute erzählt habe. Wahrscheinlich hatte er Mitleid mit uns.«
Was nach dieser Unterhaltung geschehen war, wusste sie nicht mehr. Sie konnte sich an absolut nichts erinnern.
»Verstehe. Du hast dich betrunken, und dann hast du mit Rick Paget geschlafen«, sagte Jed abschätzig. »So war es doch, oder?«
Ruby sah ihn sprachlos an.
»Ich kann nicht glauben, dass du so weit gegangen bist … nur um an dein Geld zu kommen«, fügte er eisig und voller Verachtung hinzu.
Er wandte sich ab und ließ sie einfach stehen.
Ruby war wie vor den Kopf geschlagen. Eine Weile stand sie regungslos da und starrte Jed wie betäubt hinterher. Die Benommenheit fiel erst von ihr ab, als die Galopper aus dem Führring geführt wurden. Sie drehte sich um und drängelte sich durch die Menschenmenge zu der Absperrung entlang der Rennbahn. Ein Trompetenstoß kündigte den bevorstehenden Start an. Die Vorfreude der Zuschauer war fast mit Händen zu greifen. Nur Ruby war am Boden zerstört. Dass Jed jetzt schlecht von ihr dachte, war schlimm genug. Aber noch schlimmer war, dass sie nicht einmal wusste, ob sie seine Verachtung wirklich verdient hatte oder nicht.
»Ruby! Da sind Sie ja!«
Richard und Roger kamen durch die Menge auf sie zu.
»Wir haben uns umgehört. Ihre Stute geht an den Start, nicht wahr?«, sagte Richard.
Der Anblick der zwei freundlichen Gesichter tröstete Ruby ein wenig. »Ja, und Rick Paget reitet sie.« Sie beugte sich vor, um die Pferde, die zur Startmaschine geführt wurden, besser sehen zu können.
»Das sind ja wundervolle Neuigkeiten«, sagte Roger entzückt.
»Ja, er soll einer der besten Jockeys sein. Die Stute hat also ausgezeichnete Chancen.«
Ruby versuchte, sich nicht anmerken zu lassen, wie niedergeschmettert sie war. Aber die beiden Männer wechselten einen wissenden Blick. Sie spürten, dass die junge Frau etwas bedrückte.
»Wir haben ein paar Dollar auf Silver Flake gesetzt«, sagte Roger. »Die Quote war gut, deshalb haben wir für Sie auch eine Wette getätigt.« Er reichte Ruby einen Wettschein.
Ruby kamen die Tränen. »Das ist nett, vielen Dank.«
»Man muss doch auf sein eignes Pferd setzen; das gehört sich so«, fügte Roger hinzu.
Ruby senkte den Blick und machte ein trauriges Gesicht. Die beiden Männer hätten gern gefragt, was sie bedrückte, aber sie wollten nicht aufdringlich sein.
Richard legte ihr väterlich den Arm um die Schultern. »Genießen Sie
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