Im Hauch des Abendwindes
ist ein Kamel«, stellte Ruby fest.
»Klar ist das ein Kamel. Hast du gedacht, Flake sei ein Pferd?«
»Allerdings.« Ruby verschränkte die Arme vor der Brust.
»Hoffentlich bist du jetzt nicht enttäuscht!« Mick lachte und rief: »Vorwärts, Flake!« Bernie winkte ihnen im Vorbeireiten fröhlich zu, und alle grölten vor Begeisterung.
Statt böse zu sein, weil man sie schon wieder auf den Arm genommen hatte, musste Ruby lauthals lachen, so komisch war der Anblick. Es dauerte ein paar Sekunden, bis sie merkte, dass die Männer abrupt verstummt waren. Sie folgte ihren Blicken, und dann war ihr klar, was sie ablenkte: Der Ford Pick-up, den sie unten am Fluss gesehen hatte, stand am Ende der Straße.
»Das sind die Camilleri-Brüder«, murmelte Mick sorgenvoll. Er sah Ruby an. »Kein Wort über Jed, verstanden?« Bevor sie antworten oder Fragen stellen konnte, eilten Mick, Burt und Jacko Richtung Pub davon. Herb war plötzlich wie vom Erdboden verschluckt.
Ruby ging in den Laden zurück und schloss die Tür ab. Sie spähte aus dem Fenster und sah den Ford langsam vorbeirollen. Die Männer schauten zu ihr herüber. Ruby bekam Herzklopfen. Sie verließ das Geschäft durch den Hintereingang und hastete im Laufschritt zu Myras Haus. Nach einer Weile blickte sie sich um. Der braune Ford folgte ihr und hielt direkt auf sie zu. Sie zwang sich, langsamer zu gehen, um keinen Verdacht zu erregen. Es dauerte nicht lange, bis der Wagen sie eingeholt hatte.
»Hallo! So sieht man sich wieder, hm?«, rief der Mann auf dem Beifahrersitz ihr zu.
Ruby blieb stehen. Ihr Herz raste, ihr Mund war trocken. »Hallo«, antwortete sie vorsichtig.
Der Mann hielt sich nicht mit einer langen Vorrede auf. »Haben Sie zufällig Jed Monroe gesehen?«
»Nein.« Obwohl es die Wahrheit war, wurde Ruby rot. »Ich meine, ich kenne ihn ja nicht, aber ich hab gehört, er soll die Stadt verlassen haben.«
»Hm.« Der Mann musterte sie. »Wo brennt’s denn?«
»Wie bitte?«, fragte Ruby verwirrt.
»Sie scheinen es ziemlich eilig zu haben.«
»Ach so. Ja, ich … will nach Hause.«
»Ist es nicht ein bisschen zu heiß zum Rennen?«
»Ich … ich muss dringend auf die Toilette. Und es gibt keine öffentliche Toilette im Ort.« Sie ging weiter.
Der Pick-up fuhr wieder an. »Und Sie wissen wirklich nicht, wo wir Jed Monroe finden können?«
Diesmal schwang ein drohender Unterton in der Stimme des Mannes mit. Ruby bemerkte eine Narbe auf seiner rechten Wange – wie von einer Stichwunde. Das Gesicht des Fahrers konnte sie nicht sehen.
»Das habe ich doch bereits gesagt. Sie scheinen ihn ja sehr dringend sprechen zu müssen.«
»Allerdings, und früher oder später finden wir ihn auch. Sagen Sie ihm das, wenn Sie ihn sehen.«
»Ich …« Doch da beschleunigte der Wagen bereits.
Nach ein paar Metern wendete er und fuhr Richtung Hauptstraße zurück. Die beiden Insassen starrten Ruby im Vorbeifahren finster an. Dieses Mal konnte sie auch das Gesicht des Fahrers sehen. Er sah seinem Bruder sehr ähnlich, und sein Blick ließ sie frösteln.
So schnell sie konnte lief sie zu Myra.
»Was ist denn passiert?«, fragte diese, als Ruby völlig aufgelöst das Haus betrat.
»Diese Männer in dem Ford Pick-up sind wieder da, die Camilleri-Brüder. Sie haben mich gerade abgefangen und nach Jed Monroe gefragt. Ich möchte nicht in seiner Haut stecken, wenn sie ihn erwischen. Diese Typen können einem wirklich Angst machen.«
»Möchte wissen, was sie von ihm wollen«, murmelte Myra.
Sie war sich ziemlich sicher, dass Charlie Bescheid wusste, und nahm sich vor, ihn demnächst auszuhorchen.
13
Die Begegnung mit den Camilleri-Brüdern ging Ruby nicht aus dem Kopf. Myra, die sich anscheinend nur von Eiern und Büchsenfleisch ernährte, machte ihr ein Omelett zum Abendessen, und danach fühlte sie sich ein bisschen besser. Dennoch war sie innerlich so aufgewühlt, dass sie in dem vollgestopften Haus zu ersticken glaubte. Ruby beschloss, einen Spaziergang zu machen – sie wollte sich die Schule und die katholische Kirche ansehen, von der Myra ihr erzählt hatte.
»Sonntags kommt ein Pfarrer aus Broken Hill, der den Gottesdienst abhält. Fast alle gehen hin, auch wenn sie nicht katholisch sind. Auf diese Weise treffen sich auch mal jene, die nicht in den Pub gehen. Das sind allerdings die wenigsten.«
Als Ruby Richtung Silverton schlenderte, betrachtete sie staunend den Abendhimmel, der in den unglaublichsten Farben schimmerte. Warum war ihr
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