Im Haus der Weisheit: Die arabischen Wissenschaften als Fundament unserer Kultur (German Edition)
aller großen Gestalten des Islam, darunter Ibn Sina, Ibn al-Haytham, Ibn Rushd, al-Razi, al-Khwarizmi und viele andere. Insbesondere in der Medizin wurden Übersetzungen arabischer Bücher bis ins 18. Jahrhundert hinein gelesen und gedruckt.
Zu den europäischen Gelehrten, die von ihren islamischen Kollegen beeinflusst wurden, gehörten Roger Bacon, der sich mit seinen Arbeiten über Linsen in großem Umfang auf Ibn al-Haythams Optik stützte, und Leonardo von Pisa (Fibonacci), der die Algebra und die arabischen Zahlzeichen einführte, nachdem er sich intensiv mit den Werken al-Khwarizmis beschäftigt hatte. Manche Historiker haben sogar die Ansicht vertreten, der große deutsche Astronom Johannes Kepler habe sich zur Entwicklung seiner bahnbrechenden Arbeiten über elliptische Umlaufbahnen anregen lassen, nachdem er die Arbeiten des andalusischen Astronomen al-Bitruji (Alpetragius) studiert hatte, der im 12. Jahrhundert vergeblich versucht hatte, das ptolemäische Modell abzuwandeln. Al-Bitruji war zwar weit von den wichtigsten islamischen Astronomen entfernt, seine Prinzipien der Astronomie ( Kitab al-Hay’a ) erfreuten sich aber in Europa großer Beliebtheit. [205]
Natürlich ging der Einfluss der arabischen Wissenschaftler auf die übrige Welt und insbesondere auf das mittelalterliche Westeuropa weit über ihre rein wissenschaftlichen Errungenschaften hinaus. Ich habe hier beispielsweise nicht im Einzelnen beschrieben, welchen Beitrag sie zur islamischen landwirtschaftlichen Revolution mit ihren neuen Bewässerungsmethoden leisteten oder wie sie ganz neue chemische Industriezweige wie Glasherstellung, Keramik oder Zuckerproduktion entstehen ließen. Ihre technischen Leistungen beim Bau von Dämmen, Kanälen, Wasserrädern und Pumpen, aber auch die technischen Fortschritte im Uhrenbau – alle diese Entwicklungen veränderten auf vielerlei Weise direkt und unmittelbar das Leben von Millionen einfachen Menschen.
Statt hier eine lange, trockene Liste aufzustellen, möchte ich nur nebenbei ein Geschenk erwähnen, das von den Arabern stammt und für das ich sehr dankbar bin: den Kaffee – insbesondere da er ursprünglich in Europa als »Türkengetränk« verboten war. Seine Nutzung kann man bis ins 9. Jahrhundert und nach Äthiopien zurückverfolgen: Dort beobachtete der Legende zufolge ein arabischer Ziegenhirte namens Khalid, wie seine Ziegen lebhafter wurden, nachdem sie die Beeren der Kaffeepflanze gefressen hatten. Aufmerksam geworden, kochte er die Beeren in Wasser und bereitete so die erste Tasse Kaffee. Von Äthiopien verbreitete sich das Getränk nach Ägypten und in den Jemen, aber erst in Arabien wurden Kaffeebohnen zum ersten Mal geröstet und aufgebrüht, wie wir es heute tun. Bis zum 15. Jahrhundert hatte der Kaffee auch den übrigen Mittleren Osten, Persien, die Türkei und Nordafrika erobert.
Der deutsche Arzt Leonhard Rauwolf verfasste 1583, kurz nach seiner Rückkehr von einer zehnjährigen Reise durch den Nahen Osten, folgende Beschreibung über den Kaffee:
Ein Getränk, schwarz wie Tinte, nützlich gegen zahlreiche Krankheiten, insbesondere gegen solche des Magens. Die ihn verzehren, tun es morgens ganz freimütig aus einer Porzellantasse, die herumgereicht wird und aus der jeder eine Tasse voll trinkt. Es besteht aus Wasser und der Frucht eines Strauches, der Bunnu genannt wird.
Aus der muslimischen Welt verbreitete sich der Kaffee zunächst über Venedig nach Italien und von dort schnell über das ganze übrige Europa. Das erste Kaffeehaus des Kontinents wurde Mitte des 17. Jahrhunderts in Italien eröffnet. Die niederländischen Kolonialherren bauten Kaffee dann auch in Indonesien an, und im 18. Jahrhundert wurde er durch die Bemühungen der britischen Ostindien-Kompanie schließlich auch in England populär.
Im Jahr 2007 schließlich schloss sich in der Geschichte des Kaffees ein Kreis: Nach gerichtlichen Auseinandersetzungen auf höchster Ebene gelangten die Regierung Äthiopiens, des Heimatlandes des Kaffees, und der Kaffeekonzern Starbucks zu einer Einigung über die Markennamen für bestimmte äthiopische Kaffeesorten.
27.
Al-Jazaris berühmte Elefantenuhr.
Was die ingenieurtechnischen Leistungen im islamischen Großreich angeht, so kann ich nichts Besseres tun, als den berühmtesten Ingenieur Ibn Isma’il al-Jazari (1136–1206) zu erwähnen und seine bekannteste Erfindung zu beschreiben. Er stammte ursprünglich aus al-Jazira, einer Region im Norden Mesopotamiens, und wurde
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