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Im Haus der Weisheit: Die arabischen Wissenschaften als Fundament unserer Kultur (German Edition)

Im Haus der Weisheit: Die arabischen Wissenschaften als Fundament unserer Kultur (German Edition)

Titel: Im Haus der Weisheit: Die arabischen Wissenschaften als Fundament unserer Kultur (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jim al-Khalili
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Universums rückte und die Sonne an ihre Stelle setzte, heute wissen wir aber, dass er auch damit nicht ganz recht hatte. Für Kopernikus stand die Sonne auch im Mittelpunkt der äußeren Sphäre mit den weit entfernten Fixsternen. Wie wir aber mittlerweile gelernt haben, befindet sich unsere Sonne in Wirklichkeit im äußeren Arm einer durchschnittlichen, spiralförmigen Galaxie in einem unscheinbaren Teil des Universums, aber sicherlich nicht in seinem Zentrum. Wie hätte der arme Kopernikus das vor der Erfindung des Teleskops wissen sollen? Die moderne, von Einsteins Theorie ausgehende Kosmologie und die über Jahrhunderte gesammelten, immer umfassenderen und präziseren astronomischen Befunde haben uns davon überzeugt, dass das Universum überhaupt keinen Mittelpunkt hat, genau wie es auf der Oberfläche der Erde keinen Mittelpunkt gibt. Was Kopernikus richtig beschrieb (abgesehen von den elliptischen Umlaufbahnen, die noch auf die Arbeiten Keplers warten mussten), war unser Sonnensystem mit der Sonne in der Mitte. Trotz seiner unbezweifelbaren Genialität bleibe ich deshalb bei meiner Überzeugung, dass Kopernikus in Wirklichkeit der letzte Astronom der Schule von Maragha war. Der Titel eines Vaters der modernen Astronomie sollte an Galilei gehen, denn die eigentliche Revolution fand erst statt, als er mit Hilfe seines Teleskops endgültig bewies, dass Kopernikus – und Aristarchus – recht hatten.

15
    Niedergang und Renaissance
Die Geschichte der Wissenschaft hat wie die Geschichte der gesamten Zivilisation ihre Zyklen durchgemacht.
Abdus Salam, Nobelpreisträger
    Wenn wir die erste große Übersetzungsbewegung aus dem Griechischen ins Arabische mit der zweiten aus dem Arabischen ins Lateinische vergleichen und dazu aus dem islamischen Bagdad des 9. Jahrhunderts um 300 Jahre ins 12. Jahrhundert nach Toledo im christlichen Spanien springen, fallen sofort mehrere Parallelen auf. Die Klassiker der griechischen Wissenschaft, darunter Euklids Elemente und das Almagest von Ptolemäus, wurden mehrmals von verschiedenen Personen übersetzt und verfeinert, und das Gleiche geschah auch mit arabischen Klassikern wie al-Khwarizmis al-Jebr und Ibn al-Haythams Optik . Die prominentesten Mitglieder dieser zweiten Übersetzungsbewegung, die einen großen Teil der Arbeit leisteten, kann man sogar in einer Liste zusammenstellen. Am bekanntesten sind vermutlich die Engländer Adelard von Bath und Robert von Chester sowie der Italiener Gerard von Cremona. Alle drei arbeiteten an der Übersetzung von al-Khwarizmis Werken über Mathematik. Weitere herausragende Namen sind Daniel von Morley, Johannes von Sevilla, Hermann von Carinthia und Plato von Tivoli. Ihren Höhepunkt erreichte die Übersetzungstätigkeit um die Mitte des 12. Jahrhunderts, als der Bischof Raimund von Toledo in seiner Heimatstadt ein Übersetzerzentrum einrichtete. Einige Übersetzer waren wie ihre früheren Kollegen in Bagdad auch selbst begabte Wissenschaftler, man kann aber mit Fug und Recht behaupten, dass es unter ihnen keine wirklich originellen Denker vom Format eines al-Khwarizmi, al-Kindi, Hunayn ibn Ishaq oder Thabit ibn Qurra gab. Außerdem war die Schule von Toledo nicht annähernd so produktiv wie das Haus der Weisheit in Bagdad.
    Einer der wichtigsten arabischen Texte, die man schon frühzeitig studierte, war al-Khwarizmis al-Jebr , das 1145 von Robert von Chester erstmals ins Lateinische übersetzt wurde (einige Jahre später folgte die Version von Gerard von Cremona). [203] Demnach führte Robert als Erster in Europa das Wort »Algebra« ein. Von ihm stammt auch das Wort »Sinus« für das trigonometrische Verhältnis zweier Seiten in einem rechtwinkligen Dreieck. [204] Der Weg, auf dem er zu diesem Wort mit seinen ursprünglich hinduistischen Ursprüngen gelangte, hat es verdient, erwähnt zu werden, nicht zuletzt, weil die meisten Historiker ihn ein wenig falsch darstellen.
    Etymologisch müssen wir bei dem Sanskrit-Wort jya-ardha beginnen, das »die halbe Bogensehne« (oder geometrisch die Hälfte der Sehne in einem Kreis – siehe Diagramm) bedeutet. Dieser Begriff wurde von hinduistischen Mathematikern zu jiva abgekürzt, und später lautete er in arabischer Umschrift jiba (einen Buchstaben, der wie »v« klingt, gibt es im arabischen Alphabet nicht). Dies wiederum wurde nur noch mit den beiden Buchstaben j ( jim ) und b ( ba’ ) geschrieben. Ob es sich dabei um eine absichtliche Abkürzung handelte oder ob es an den beiden Vokalen in

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