Im Haus der Weisheit: Die arabischen Wissenschaften als Fundament unserer Kultur (German Edition)
Bukhtishus, finanzierte die Übersetzungsbewegung. Einige Angehörige dieser Familie gaben persönlich die Übersetzung medizinischer Texte ins Arabische in Auftrag. Schon bevor die Abassiden an die Macht kamen, waren persische Ärzte mit vielen medizinischen Texten von Hippokrates und Galen vertraut, deren Lehren in Gondeshapur praktiziert wurden. Der wichtigste Nutznießer, wenn es um medizinische Texte ging, war der christliche Arzt und Übersetzer Hunayn ibn Ishaq, der zu einem der berühmtesten und fruchtbarsten Übersetzer seiner Zeit werden sollte.
Ein weiterer Gelehrter aus Bagdad, der von der großzügigen Unterstützung profitierte, war Thabit ibn Qurra (ca. 836–901), ein Heide aus der Stadt Harran im Nordwesten Mesopotamiens (heute in der Türkei), der zunächst auf den Märkten als Geldwechsler arbeitete und erst dann die Philosophie entdeckte. Thabit übersetzte die mathematischen Arbeiten von Euklid, Archimedes, Apollonius und Ptolemäus. Außerdem erstellte er Zusammenfassungen der Arbeiten von Aristoteles. Er war aber auch selbst ein ausgezeichneter Mathematiker und schrieb eigene Werke über Geometrie, Statik, Zauberquadrate und Zahlentheorie. Darüber hinaus beschäftigte er sich sogar mit Astronomie und wurde im höheren Alter von dem Abassidenkalifen al-Mu’tadid zum Hofastronomen ernannt. Einige seiner Werke wurden später ihrerseits ins Lateinische übersetzt und hatten im Westen großen Einfluss.
Ein anderer christlicher Übersetzer, der im 9. Jahrhundert in Bagdad lebte, war der byzantinische Grieche Qusta ibn Luqqa (gest. ca. 912). Wie viele führende Übersetzer, so war auch er ein Universalgelehrter, der sich in Mathematik, Medizin, Astronomie und Philosophie auskannte. Er stammte ursprünglich aus der Ortschaft Baalbek (Heliopolis) im Bekaa-Tal im Libanon. Wie Hunayn ibn Ishaq, so wurde auch er gedrängt, zum Islam zu konvertieren, tat es aber nie. Unter den Büchern, die er aus dem Griechischen ins Arabische übersetzte, waren Werke des Mathematikers Diophantus, des Astronomen Aristarcos (der als Erster ein heliozentrisches Modell für das Sonnensystem vorschlug) und Galens. Qusta schrieb zahlreiche eigene Werke über Medizin und Geometrie sowie eine Abhandlung über das Astrolabium, das wichtigste astronomische Instrument vor der Erfindung des Teleskops (siehe Farbtafel 13). [27]
13.
Ein Messingastrolabium aus Saragossa, ca. 1079/80.
In der ersten Hälfte des 9. Jahrhunderts, als die arabische Gelehrsamkeit ernsthaft ihren Anfang nahm, wurde nicht nur eine zunehmende Zahl neuer Schriften über Astronomie, Geographie, Mathematik und Medizin in Auftrag gegeben, sondern zwangsläufig nahm auch die Forschung in diesen Bereichen zu. Dies erforderte die Übersetzung weiterer Texte oder eine sorgfältigere, genauere Übertragung griechischer Texte, die es bereits auf Arabisch gab. Das Wissen, das man aus diesen Texten bezog, regte viele Menschen dazu an, ihr Leben den betreffenden Fachgebieten zu widmen. So gehörte es beispielsweise in Bagdad zur Zeit al-Ma’muns zur Ausbildung eines jeden Gelehrten, dass man das Almagest von Ptolemäus studierte. Das aus diesem wichtigen Text gewonnene Wissen führte dazu, dass während al-Ma’muns Regierungszeit in Bagdad und Damaskus die beiden ersten Sternwarten des islamischen Reiches erbaut wurden. Al-Mamun ernannte Astronomen, die mit einem systematischen, sorgfältigen Beobachtungsprogramm die Genauigkeit von Ptolemäus’ Sternkarten überprüften. Damit begannen 700 Jahre der arabischen Astronomie, und es wurde eine Brücke von den Griechen zur kopernikanischen Revolution in Europa und der Geburt der modernen Astronomie geschlagen.
Viele besonders wichtige griechische Texte wurden mehrmals ins Arabische übertragen. Ein gutes Beispiel sind Euklids Elemente , ein Werk, das auf die islamische Mathematik ungeheuer große Auswirkungen hatte. Das Buch wurde erstmals Anfang des 9. Jahrhunderts, während al-Rashids Herrschaftszeit, von al-Hajjaj ibn Yusuf übersetzt. Derselbe Gelehrte schrieb später eine zweite Übersetzung für al-Ma’mun. Der Text wurde aber auch von Hunayn ibn Ishaq übersetzt, und seine Version wurde später von Thabit ibn Qurra überarbeitet. Eine weitere Revision nahm der Astronom al-Tusi fast vier Jahrhunderte später vor. In Europa wurde das Werk vermutlich erstmals durch lateinische Übersetzungen dieser letzten Version bekannt. Es wurde sogar behauptet, die Elemente seien dem Kalifen al-Mansur bekannt gewesen, der von
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