Im Haus der Weisheit: Die arabischen Wissenschaften als Fundament unserer Kultur (German Edition)
Ptolemäus ins Arabische übersetzte. Der jüdische Astronom und Arzt, dessen Name wörtlich »Sohn des Rabbi von Tabaristan« bedeutet – eine Anspielung auf eine Provinz im heutigen Nordiran –, ließ sich zur Zeit al-Rashids in Bagdad nieder. Sein Sohn Ali (ca. 838–870) konvertierte zum Islam, verfasste die erste arabische Enzyklopädie der Medizin und unterrichtete einen Jungen namens Muhammad ibn Zakariyya al-Razi, der zu einem der größten Ärzte aller Zeiten werden sollte.
Manche Historiker haben behauptet, die ganze Übersetzungsbewegung habe trotz der Bewunderung der Abassiden für alles Persische und trotz ihrer daraus erwachsenden Verbindung zur indischen Wissenschaft und der östlichen Kultur ursprünglich auf griechischer Wissenschaft aufgebaut. [26] Bis zu einem gewissen Grade stimmt das. Als das Reich Alexanders des Großen sich viele Jahrhunderte vor dem Islam im Osten bis nach Indien erstreckte, wurden auch die Früchte der griechischen Wissenschaft weit über ihre Heimat hinausgetragen; allerdings sollte man auch die Seehandelswege aus Ägypten als eigenen Übermittlungsweg nicht vergessen. Dieses Wissen, so kann man mit Fug und Recht behaupten, legte am Ende den Umweg von seinen griechischen Ursprüngen über Indien und wieder an den Hof der Abassiden in Bagdad zurück. Große Teile des griechischen Wissens gelangten auch über die christlichen Städte Antiochia und Edessa in die arabische Welt, wo in den Jahrhunderten vor der Ausbreitung des Islam in kleinerem Umfang eine Übersetzungstradition vom Griechischen ins Syrische aufgeblüht war.
Zumindest auf den Gebieten von Medizin und Philosophie, wo Hippokrates, Galen, Platon und Aristoteles einzigartig waren, hatten die Araber den Griechen nahezu ihre gesamten Kenntnisse zu verdanken. Auch in der Geometrie hatten Inder und Perser wenig vorzuweisen. Es wäre aber unfair, ihren Beitrag zur Entwicklung der arabischen Wissenschaft während der Übersetzungsbewegung als völlig nebensächlich abzutun. Ohne den Kontakt zur indischen Mathematik besäße die muslimische Welt weder das Dezimalzahlensystem, noch hätte die Trigonometrie den schnellen Aufschwung genommen, der sich für die Astronomie als so nützlich erweisen sollte. Auch die arabische Astronomie gilt als Fortsetzung der Tätigkeit persischer Sternwarten, die ihrerseits ohne die indische Mathematik nicht eine solche Blüte hätten erleben können.
Eine andere, aber falsche Ansicht, die mehr Zuneigung zur persischen Kultur und Geschichte erkennen lässt, gründet sich auf einen interessanten, erwähnenswerten Mythos. Alexander der Große eroberte 333 v.u.Z. das Perserreich und setzte dessen letzten König Darius III. ab. Als der griechische Feldherr in die persische Hauptstadt Persepolis einmarschierte, fand er dort Schriften über die verschiedenen Fachgebiete und Wissenschaftsrichtungen, die nach Ansicht der Perser einen göttlichen Ursprung hatten und von dem Propheten Zoroaster selbst übermittelt worden waren. Alexander ließ alle Texte aus dem Persischen ins Griechische übersetzen und vernichtete anschließend die Originale. Mehrere Jahrhunderte später befahlen die Sassanidenherrscher, alle griechischen Werke zu sammeln und zurück ins Persische zu übersetzen. Auf diese Weise rechtfertigten die Perser die Tatsache, dass sie in Medizin, Astronomie und Astrologie das Wissen der Griechen nutzten: Sie behaupteten, es sei ohnehin alles den Persern gestohlen worden.
Al-Rashid, selbst Gelehrter und Dichter, war ein großer Mäzen der Künste. Unter seiner Herrschaft begannen muslimische Gelehrte, ernsthaft die großen Werke der Griechen und Inder zu studieren und deren Kenntnisse in die arabische Kultur zu integrieren. Al-Rashids Hof in Bagdad war voller Künstler, Musiker, Dichter und Theologen aus aller Herren Länder. Die Übersetzungstätigkeit jedoch wurde anfangs zu einem großen Teil von seinem Stellvertreter und Lehrer des jungen al-Ma’mun beaufsichtigt, dem Wesir Ja’far al-Barmaki. Die Familie Barmaki, die den Aufstieg der Abassiden zur Macht finanziert und unterstützt hatte, war für ihre Loyalität mit dem erblichen Titel des Großwesirs (und gelegentlich auch mit Hinrichtungen) belohnt worden und übte im Alltag der Stadtverwaltung eine ungeheure Macht aus. Außerdem unterstützten auch die Barmakis nachdrücklich die Übersetzungsbewegung und konnten ihr persisches kulturelles Erbe am Hof des Kalifen einbringen.
Auch eine andere bekannte persische Familie, die
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