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Im Haus der Weisheit: Die arabischen Wissenschaften als Fundament unserer Kultur (German Edition)

Im Haus der Weisheit: Die arabischen Wissenschaften als Fundament unserer Kultur (German Edition)

Titel: Im Haus der Weisheit: Die arabischen Wissenschaften als Fundament unserer Kultur (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jim al-Khalili
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Geschichte über Moses und die Pharaonen. Auch aus den Übersetzungen antiker griechischer Autoren wie Homer und Herodot konnte man einiges über sie entnehmen. Man kann sich aber gut vorstellen, welchen Eindruck der Anblick der tatsächlichen Pyramiden auf al-Ma’mun gemacht haben muss.
    Seine Versessenheit auf die Übersetzung antiker Texte umfasste natürlich auch den Wunsch, die Hieroglyphen auf den Wänden der ägyptischen Gräber zu entziffern. Die frühen arabischen Gelehrten glaubten, in diesen Symbolen seien Geheimnisse der Antike versteckt, die mit Astrologie und Alchemie zu tun hatten – was in vielen Fällen tatsächlich der Fall war. Insbesondere jene Alchemisten, die in enger Verbindung mit dem mystischen Sufismus standen, waren von den ägyptischen Inschriften fasziniert; der bekannteste unter ihnen war kein anderer als Jabir ibn Hayyan.
    Während seines Aufenthalts in Ägypten sicherte sich al-Ma’mun die Dienste eines Weisen namens Ayyub ibn Maslama; dieser, so hoffte er, könne ihm die Hieroglyphen übersetzen. Immerhin stammte die koptische Sprache, die noch von großen Teilen der einheimischen Bevölkerung gesprochen wurde, ihrerseits von der Sprache des alten Ägypten ab. Aber leider und zur Enttäuschung des Kalifen war auch Ayyub nicht in der Lage, in den Inschriften irgendeinen Sinn zu finden.
    Als Nächstes befahl al-Ma’mun, die große Pyramide von Khufu auszugraben. Einer Mannschaft, die von dem Kalifen selbst begleitet wurde, gelang es, sich Zugang zu verschaffen; hinter der Öffnung fand sie ein Goldgefäß, das al-Ma’mun mit nach Bagdad nahm. Im Inneren der Pyramide entdeckten sie aufwärts- und abwärtsführende Korridore. An der Spitze stießen sie auf eine kleine Kammer, in deren Mitte ein verschlossener Marmorsarkophag stand, und dieser enthielt noch die mumifizierten Überreste des Pharaos. Als es so weit war, mochte al-Ma’mun die Entweihung nicht weitertreiben. Er ordnete an, die Ausgrabungen einzustellen. [79]
    Als Nachtrag zu diesem Bericht kann ich mir nicht die Gelegenheit entgehen lassen, von einem arabischen Gelehrten zu berichten, der in Kufa lebte und es nicht lange nach al-Ma’muns Regierungszeit tatsächlich schaffte, ungefähr die Hälfte aller Hieroglyphensymbole zu entschlüsseln. Ich war kürzlich in Sakkara, der altägyptischen Nekropole, die aus dem 27. Jahrhundert v.u.Z. stammt, also aus einer Zeit vor Errichtung der Pyramiden von Gizeh. Der in London ansässige Ägyptologe Okasha El Daly, der umfassende Untersuchungen zum Vorkommen der ägyptischen Antike in mittelalterlichen arabischen Schriften angestellt hat, zeigte mir mehrere Gräber. El Daly vertritt mit überzeugenden Argumenten die Ansicht, dass ein Mann namens Ibn Wahshiyya, der im 9. und 10. Jahrhundert lebte, zu Recht als erster echter Ägyptologe der Welt gelten kann. Während man im Westen allgemein davon ausgeht, dass der Hieroglyphencode erst 1822 enträtselt wurde, als der Engländer Thomas Young und der Franzose Jean-François Champollion die Inschriften des Steins von Rosetta entschlüsselten, musste ich plötzlich selbst über einen weiteren kleinen Aspekt der Übersetzungsbewegung staunen. Ibn Wahshiyyas Text Kitab Shawq al-Mustaham , der von verschiedenen antiken Alphabeten handelt, führt eine Liste von Hieroglyphensymbolen zusammen mit ihrer Bedeutung als Wörter oder Laute sowie mit ihrer arabischen Entsprechung auf; und das nahezu ein Jahrtausend vor Young und Champollion.

    Kehren wir nun dennoch zum Haus der Weisheit in Bagdad und zu al-Khwarizmi zurück. Wie ich bereits erwähnt habe, betrifft sein größtes Vermächtnis für die Wissenschaft nicht die Geographie, sondern die Mathematik. Wie viel wir diesem Mann verdanken, wird in den beiden nächsten Kapiteln deutlich werden: In ihnen untersuche ich die Entwicklung der Mathematik zur Zeit al-Ma’muns.

8
    Algebra
Angenommen, ein Mann lässt in seiner Krankheit zwei Sklaven frei. Der Preis für den einen beträgt dreihundert Dirhem, der für den anderen fünfhundert Dirhem. Der für dreihundert Dirhem stirbt und hinterlässt eine Tochter; dann stirbt der Herr und hinterlässt ebenfalls eine Tochter, und der Sklave hinterlässt Eigentum im Wert von vierhundert Dirhem. Mit wie viel muss jeder von ihnen sich freikaufen?
Al-Khwarizmi
    Das obige Zitat stammt aus dem al-Kitab al-Mukhtasar fi Hisab al-Jebr wa-l-Muqabala . Manch einer denkt vielleicht: Das sagen Sie so leicht. Die vollständige Übersetzung des Titels lautet Das Werk

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