Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Haus der Weisheit: Die arabischen Wissenschaften als Fundament unserer Kultur (German Edition)

Im Haus der Weisheit: Die arabischen Wissenschaften als Fundament unserer Kultur (German Edition)

Titel: Im Haus der Weisheit: Die arabischen Wissenschaften als Fundament unserer Kultur (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jim al-Khalili
Vom Netzwerk:
auch abgelehnt wurden.
    Aristoteles repräsentiert in vielerlei Hinsicht den Höhepunkt des griechischen Wissens und galt wegen des großen Einflusses, den er während der nächsten 2000 Jahre auf so viele Denker ausübte, vielfach als klügster Kopf aller Zeiten. Wenn man an die größten griechischen Philosophen denkt, fallen einem aber sofort noch zwei andere Namen ein. Sokrates [115] (470–399 v.u.Z.) war in seinen Ansichten in gewisser Hinsicht geradezu wissenschaftsfeindlich. Er lehnte beispielsweise die Geometrie als Fachgebiet um seiner selbst willen ab und vertrat die Ansicht, man solle sie nur als praktisches Hilfsmittel der Architektur und Landwirtschaft sowie gegebenenfalls als Berechnungshilfsmittel für Finanzgeschäfte lehren. Er hatte also gegenüber dem Wissen eine positivistische, pragmatische Einstellung. Die Brücke zwischen dem 5. Jahrhundert des Sokrates und dem 4. Jahrhundert von Aristoteles bildete Platon (428–348 v.u.Z.), der Schüler des einen und Lehrer des anderen. Mehr als sein Lehrer Sokrates ähnelte Platon dem, was wir heute als theoretischen Physiker bezeichnen würden. Er glaubte, man könne das Universum mathematisch beschreiben und demnach auch verstehen. Deshalb, so Platon, sei es die Aufgabe der Philosophie, in den Geheimnissen des Universums, beispielsweise in den scheinbar unregelmäßigen Bewegungen der Sterne und Planeten, unter dem Gesichtspunkt regelmäßiger mathematischer Gesetze einen Sinn zu finden. Aber abgesehen von abstrakten und metaphysischen Gedanken trug Platon wenig zur Erweiterung des Wissens bei, und er gilt nicht als so großer Natur wissenschaftler wie Aristoteles – oder übrigens auch wie beispielsweise Archimedes.
    Aristoteles wurde in Athen im Alter von 18 Jahren Platons Schüler und übernahm später die Rolle des Lehrers für Alexander den Großen. Im Jahr 335 v.u.Z. gründete er in Athen seine berühmte Schule, das Lycaeum. Aristoteles war nicht nur ein großer Philosoph, sondern er erzielte auch viele Fortschritte in Mathematik, Physik und Kosmologie, außerdem war er einer der ersten Wissenschaftshistoriker. Seine größten Beiträge leistete er aber in der Wissenschaft des Lebendigen. Er kann zu Recht für sich in Anspruch nehmen, der »Vater der Biologie« zu sein, ganz ähnlich wie Pythagoras der »Vater der Mathematik« und Hippokrates der »Vater der Medizin« war. Im Gegensatz zu Platon, der den griechischen Astronomen bekanntermaßen den Rat gab, »Beobachtung« durch »Spekulation« zu ersetzen, ging Aristoteles von der Beobachtung der Welt um ihn herum aus und sammelte Daten, um daraus empirische Kenntnisse über die Natur zu gewinnen – die gleiche Methode, nach der Naturwissenschaft auch heute meist betrieben wird. Glücklicherweise befolgten viele der größten »experimentellen« Wissenschaftler Griechenlands, beispielsweise Archimedes, Hipparchos und Galen, Platons Ratschlag nicht.
    In der Physik vertrat Aristoteles die Vorstellung, alle Bewegung sei die Verwirklichung der Bewegungsfähigkeit eines Körpers. Allgemeiner gesagt, vertrat er die Ansicht, dass alles dem Wandel unterworfen ist. Sein Begriff kinesis bezeichnet alle Formen der Veränderung: Veränderung der Substanz eines Gegenstandes, Veränderung seiner Größe oder Form, Veränderung seiner Qualität und Veränderung seiner Position (Bewegung). Die vier Formen der kinesis sind repräsentiert in Veränderungen von Quiddität (Washeit), Quantität, Qualität und Position. Ein Gegenstand fällt zu Boden, weil er sich »von Natur aus« wieder mit der Erde vereinigen will, aus der er hervorgegangen ist, und Feuer steigt nach oben, um sich mit der über uns befindlichen Sphäre des Feuers zu vereinigen. Auf ähnliche Weise finden auch Wasser und Luft ihre natürliche Ebene. Alle anderen Bewegungen sind nicht natürlich und erfordern die Einwirkung einer Kraft (was sich bemerkenswert stark nach Newtons erstem Bewegungsgesetz anhört: Ein Körper bleibt in Ruhe oder in konstanter Bewegung, solange nicht eine äußere Kraft auf ihn wirkt). Unter allen Griechen hatte Aristoteles 1000 Jahre später mit seinen Arbeiten und Lehren den größten Einfluss auf die arabische Wissenschaft und im weiteren Verlauf auch auf viele europäische Denker.
    Von besonderem Interesse ist an dieser Stelle Aristoteles’ Kosmologie. Das Universum hatte in seinen Augen begrenzte Ausmaße, existierte aber für immer. Er behauptete, die Sterne am Himmel bestünden aus einer unzerstörbaren Substanz

Weitere Kostenlose Bücher