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Im Haus der Weisheit: Die arabischen Wissenschaften als Fundament unserer Kultur (German Edition)

Im Haus der Weisheit: Die arabischen Wissenschaften als Fundament unserer Kultur (German Edition)

Titel: Im Haus der Weisheit: Die arabischen Wissenschaften als Fundament unserer Kultur (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jim al-Khalili
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die größten Philosophen der Welt dargestellt sind, so findet man nur einen Muslim, und das ist Ibn Rushd. Für Raffael waren natürlich – wie eigentlich für jeden Europäer – Platon und Aristoteles die beiden zentralen Figuren auf dem Gemälde, was nicht weiter verwunderlich ist. Aber dass kein anderer muslimischer Philosoph in diesen Rang erhoben wurde, lag nicht daran, dass sie dessen nicht würdig gewesen wären, sondern Raffael kannte sie einfach nicht. Thomas von Aquin hielt Ibn Rushd für so wichtig, dass er ihn als den »Kommentator« bezeichnete, im Unterschied zu Aristoteles, dem anderen großen Meister, der einfach als »der Philosoph« bekannt war.
    Ibn Rushd wurde zum Richter ( qadi ) ausgebildet und arbeitete zunächst in Sevilla, der damaligen Hauptstadt Andalusiens, später dann in Córdoba. Die biographischen Berichte aus der fraglichen Zeit bezeichnen ihn nicht als Philosophen, sondern als Juristen, aber dass er so großen Einfluss auf die europäischen Gelehrten hatte, lag an seinen philosophischen Gedanken. Seine Interpretation der aristotelischen Philosophie, der Averroismus, entwickelte sich zu einer Denkschule, die einen dauerhaften Effekt auf die christlichen Theologen ausübte: Diese wollten untersuchen, ob man Aristoteles’ Philosophie mit dem Christentum ebenso verbinden oder in Einklang bringen kann wie mit dem Islam.
    Im Goldenen Zeitalter Andalusiens gab es große, wohlhabende jüdische Gemeinden, die meist friedlich neben den Muslimen lebten und in den größeren Städten eine Blütezeit erlebten. Mit dem allmählichen Niedergang des Goldenen Zeitalters verschlechterten sich aber die Beziehungen zwischen den beiden Glaubensgemeinschaften; im 11. Jahrhundert kam es zu mehreren Pogromen und entsetzlichen Massakern an Juden, die meist von den Berberdynastien verübt wurden. Viele Juden flüchteten aus ihren Häusern in Córdoba, Toledo und Granada und ließen sich in toleranteren Teilen der islamischen und christlichen Welt nieder. Einer von ihnen war der berühmte jüdische Gelehrte Musa ibn Maymun, besser bekannt als Moses Maimonides, der als großer Philosoph und Arzt Hervorragendes leistete.
    Maimonides wurde 1135 in Córdoba geboren und musste 1148 mit seiner Familie flüchten, als die Stadt von den Almohaden eingenommen wurde. Nach vielen Jahren der Wanderschaft ließ sich die Familie schließlich in Ägypten nieder. Sein berühmtestes philosophisches Werk war der Führer der Unschlüssigen , in dem er die Grundlagen für große Teile des späteren jüdisch-philosophischen Denkens legte. Er war ein großer Bewunderer muslimischer Philosophen aus Andalusien wie Ibn Bajja und Ibn Rushd, war aber auch mit früheren Philosophen aus dem Osten wie al-Farabi und Ibn Sina vertraut. [182] Die drei großen monotheistischen Religionen unterscheiden sich zwar in einer ganzen Reihe von Themen, alle stellen aber die gleichen großen Fragen, beispielsweise nach der Bedeutung von Gut und Böse, nach der Existenz eines freien Willens und nach dem Wesen des Jenseits. Und alle mittelalterlichen Philosophen schlugen sich mit widersprüchlichen Vorstellungen von Offenbarung und Vernunft herum. So betrachtet, unterschied sich das, was Maimonides von den islamischen Philosophen übernahm und auf die jüdische Theologie anwandte, nicht von dem, was Thomas von Aquin für die christliche Theologie tat.

    Damit sind wir nun endlich beim wichtigsten Erbe Andalusiens: Ein großer Teil der arabischen Wissenschaft gelangte über Spanien nach Europa. Es gab zwar auch andere Wege der Weitergabe und Übersetzung, beispielsweise über Sizilien und entlang der Handelswege, die zu Stadtstaaten wie Venedig führten, aber auch über christliche Reisende im Osten wie den Engländer Adelard von Bath (1080–1152). Zu allererst jedoch lag es an der Rückeroberung des islamischen Spanien durch die Christen, dass Europa Zugang zu der Wissensfülle erhielt, die in der islamischen Welt gewonnen worden war. Wie Bagdad, das zum Zentrum einer blühenden Übersetzungsbewegung aus dem Griechischen ins Arabische wurde, so entwickelten sich Städte wie Toledo zu Zentren, in denen die großen arabischen Texte ins Lateinische übersetzt wurden.
    Die allerersten Übersetzungen entstanden schon im 10. Jahrhundert. Es handelte sich dabei um eine Sammlung von Abhandlungen über das Astrolabium, Texte, die man in dem Kloster Ripoll in Katalonien entdeckt hat. [183] Dieses Benediktinerkloster in Nordspanien wurde 879 von dem vermutlich

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