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Im Haus der Weisheit: Die arabischen Wissenschaften als Fundament unserer Kultur (German Edition)

Im Haus der Weisheit: Die arabischen Wissenschaften als Fundament unserer Kultur (German Edition)

Titel: Im Haus der Weisheit: Die arabischen Wissenschaften als Fundament unserer Kultur (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jim al-Khalili
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Blütezeit erlebte Andalusien in der Medizin. Mitte des 10. Jahrhunderts reisten viele Gelehrte von dort nach Bagdad, um bei führenden Ärzten wie al-Razi zu lernen und die arabischen Übersetzungen der Texte von Galen zu studieren. Einer dieser Ärzte war Abu al-Qasim al-Zahrawi (Abulcasis, ca. 936–ca. 1013), der berühmteste Chirurg des Mittelalters. Er praktizierte in al-Zahra’ – daher der Name – als Leibarzt des Kalifen al-Hakam. Die Liste seiner medizinischen Neuerungen ist bemerkenswert: Er erfand mehr als 100 chirurgische Instrumente, von denen viele (beispielsweise die Geburtszange) noch heute in Gebrauch sind, und verwendete als Erster Katzendarm für innere Nähte; auch die chirurgischen Haken, Löffel, Stäbe, Speculum und Knochensäge, die chirurgische Nadel, die Spritze und das Skalpell zum Steinschneiden gehen auf ihn zurück. Er leistete Pionierarbeit in der Inhalationsanästhesie mit Schwämmen, die mit einer Mischung aus Betäubungsmitteln, darunter Cannabis und Opium, getränkt waren. Fortschritte erzielte er auch in der Zahnheilkunde, und er vervollkommnete die Technik des Luftröhrenschnitts.
    Al-Zahrawis Arbeiten hatten ungeheure Auswirkungen auf Europa und auf die Lehre der Medizin während der Renaissance. Sein Erbe auf diesem Gebiet ist mit dem von al-Razi und Ibn Sina zu vergleichen. Der berühmteste Text, den er verfasste, war eine umfangreiche Enzyklopädie über Medizin und Chirurgie mit dem Titel Kitab al-Tasrif ( Die Methode der Medizin ). Ihr prachtvoller vollständiger Titel lautet übersetzt Die Anordnung des Medizinischen Wissens für den, welcher nicht fähig ist, selbst ein Buch zusammenzustellen. Das dreißigbändige Werk, das um 1000 u.Z. entstand, enthält anatomische Beschreibungen, eine Klassifikation von Krankheiten sowie Abschnitte über Orthopädie, Augenheilkunde, Pharmakologie, Ernährung und – am wichtigsten – Chirurgie. Während des europäischen Mittelalters war das Tasrif vielleicht 500 Jahre lang zusammen mit al-Razis al-Hawi und dem Kanon von Ibn Sina eine der wichtigsten Quellen für medizinische Kenntnisse und ein Werk, das allen Chirurgen und sonstigen Ärzten als Nachschlagewerk diente. Manche Abhandlungen aus dem Tasrif wurden wenig später ins Lateinische übersetzt und im 15. und 16. Jahrhundert auch gedruckt. [179]

18.
Chirurgische Instrumente aus dem muslimischen Mittelalter; aus einem im 15. Jahrhundert entstandenen Exemplar des Kitab al-Tasrif , das al-Zahrawi ursprünglich im 11. Jahrhundert verfasste.
    Die Bände über Chirurgie gliedern sich in drei Abschnitte: über Kauterisieren, über Operationen und über die Behandlung von Brüchen und Verrenkungen. Überall in dem Werk finden sich zahlreiche Abbildungen chirurgischer Instrumente, die al-Zahrawi ursprünglich selbst gezeichnet hatte (siehe Farbtafel 18). Seine Beschreibung der Spritze gilt als die allererste genaue Beschreibung dieses Instruments in der Medizingeschichte:
Wenn ein Geschwür in der Blase auftritt oder wenn sich darin ein Blutgerinnsel oder eine Ablagerung von Eiter befindet, und wenn man dann Lotionen und Arzneien hineinbringen will, so tut man dies mit Hilfe eines Instruments, das man Spritze nennt. Es besteht aus Silber oder Elfenbein, ist hohl und hat ein langes, dünnes Rohr, dünn wie eine Sonde … Der hohle Teil, welcher den Kolben enthält, ist genau von der notwendigen Größe, damit er davon verschlossen wird, so dass eine Flüssigkeit hochgesaugt wird, wenn man ihn hochzieht; und wenn man ihn herunterdrückt, wird sie in einem Strahl herausgetrieben. [180]
    Der zweite berühmte andalusische Arzt war Ibn Zuhr (Avenzoar). Er wurde ungefähr 1091 in Sevilla geboren und zu einem weiteren großen Mediziner, der in der gesamten islamischen Welt gleich nach al-Razi kam. Seine Schriften sollten wie die von al-Zahrawi großen Einfluss auf die medizinische Praxis im christlichen Europa haben.
    Im 11. und 12. Jahrhundert machten sich Astronomen in Andalusien an die Aufgabe, die Ibn al-Haytham sich schon früher gestellt hatte: Sie stellten Ptolemäus’ Methoden in Frage und wollten seine Fehler korrigieren. Ein anonymer Astronom schrieb im 11. Jahrhundert bekanntermaßen ein Buch mit dem Titel Wiederholung hinsichtlich Ptolemäus ( al-Istidrak ala Batlamyus ), das bis heute nicht wiederentdeckt wurde. Angeblich enthielt es eine Liste von Einwänden gegen Ptolemäus’ astronomische Aussagen, und berühmte wurde es, weil es zur sogenannten »andalusischen Revolte«

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