Im Haus der Weisheit: Die arabischen Wissenschaften als Fundament unserer Kultur (German Edition)
der Seen, die den Nil bilden, unterscheidet sich nicht stark von der, die Baker und Stanley mehr als 700 Jahre danach ermittelten, und ihre Zahl ist die gleiche. [187]
20.
Al-Idrisis Weltkarte aus dem 12. Jahrhundert. Sie zeigt entsprechend der damaligen Konvention den Norden unten; umgedreht sieht sie vertrauter aus.
Al-Idrisis Karte hat wie alle arabischen Karten aus dem Mittelalter das interessante Merkmal, dass sie auf dem Kopf stehend gezeichnet ist: Der Norden befindet sich unten.
Im nächsten Kapitel möchte ich mich auf die Astronomie konzentrieren und ihre Entwicklung im Mittelalter nachzeichnen. Mehr als jedes andere Fachgebiet macht sie mit ihrer Geschichte deutlich, dass wissenschaftlicher Fortschritt ein ununterbrochener Prozess ist. Er kann sich zwar beschleunigen und verlangsamen und je nach Aufstieg und Fall der Kulturen Höhen und Tiefen durchmachen, ja er kann sogar wie das Holz in einem Staffellauf der Entdeckungen weitergegeben werden, aber ihre Geschichte macht mehr als jede andere exemplarisch deutlich, wie viel die europäischen Gelehrten den herausragenden Persönlichkeiten der islamischen Welt verdankten. Immer wieder habe ich in diesem Buch darauf hingewiesen, welche Leistungen die Astronomen des islamischen Großreiches in der Zeit zwischen Ptolemäus und Kopernikus vollbrachten. Aber wie wichtig war das eigentlich? Immerhin glaubten sie nahezu ohne Ausnahme, dass die Sonne um die Erde kreist, und sie verfügten nicht über Teleskope, mit denen sie sich vom Gegenteil hätten überzeugen können. Stellen wir uns nun also darauf ein, einige neue Gestalten kennenzulernen, ohne die Kopernikus, der Vater der modernen Astronomie, der letztendlich das heliozentrische Modell des Sonnensystems formulierte, vielleicht wie sein Vater dem Kupferhandel nachgegangen wäre, dem er seinen Namen verdankte.
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Die Revolution von Maragha
Da also der Beweglichkeit der Erde nichts im Wege steht: so, glaube ich, muss nun untersucht werden, ob ihr auch mehrere Bewegungen zukommen, so dass sie für einen der Planeten gehalten werden könnte. Sie ist nämlich nicht der Mittelpunkt aller Kreisbewegungen.
Nikolaus Kopernikus
Nachdem wir nun schon so weit gekommen sind, sollte kein Zweifel mehr daran bestehen, dass die wissenschaftliche Revolution im 16. und 17. Jahrhundert in Europa nicht hätte stattfinden können, wenn die islamische Welt des Mittelalters nicht zuvor schon so viele Fortschritte in Philosophie, Medizin, Mathematik, Chemie und Physik gemacht hätte. Insbesondere ein Fachgebiet verdient jedoch eine noch genauere Betrachtung und Analyse. Während ich im Jahr 2009 diese Zeilen schreibe, feiert die wissenschaftliche Welt einen wichtigen Jahrestag, der an der Welt insgesamt vielleicht vorbeigegangen wäre. Inmitten der öffentlichen Aufmerksamkeit für Charles Darwin – im Jahr 2009 feierte man den 200. Geburtstag dieses großen Wissenschaftlers und das 150-jährige Jubiläum der Veröffentlichung seiner Entstehung der Arten – blieb es nahezu unbemerkt, dass 2009 auch zum Internationalen Jahr der Astronomie erklärt wurde. Es kennzeichnet nämlich auch den 400. Jahrestag eines Ereignisses, das mehr als jedes andere die Geburt der modernen Astronomie ankündigte. Im Sommer 1609 richtete Galilei sein neues Teleskop erstmals in den Himmel, um die Wunder des Kosmos zu offenbaren (genau wie Robert Hooke, der ein halbes Jahrhundert später erstmals mit dem Mikroskop die Wunder in der Welt des Allerkleinsten offenbarte).
Aber Galileis Teleskop holte nicht nur die weit entfernten Himmelskörper näher heran, sondern es hatte weit größere Wirkungen: Es beseitigte eine jahrtausendealte Verwirrung und Spekulation über unseren Platz im Universum. Nach der traditionellen historischen Überlieferung verdient jedoch nicht Galilei den Titel eines Gründers der modernen Astronomie, sondern der polnische Astronom Nikolaus Kopernikus (1473–1543).
Es ist eine unausweichliche Tatsache, dass man den Bericht über wissenschaftliche Entwicklungen in der Lehre oftmals übermäßig vereinfachen muss. Wissenschaftlicher Fortschritt ist in der Regel ein chaotischer, komplizierter, langsamer Vorgang; erst im Rückblick, wenn man ein Phänomen umfassend verstanden hat, kann man eine Geschichte nicht nur chronologisch, sondern auch anschaulich erzählen. Dies setzt voraus, dass man bestimmte Ereignisse und Personen aus dem Mischmasch herausgreift: nämlich jene, die der eigenen Einschätzung zufolge die wichtigsten
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