Im Haus der Weisheit: Die arabischen Wissenschaften als Fundament unserer Kultur (German Edition)
zutreffend benannten Grafen Wilfred der Haarige (katalanisch Guifré el Pilós) gegründet. Es diente ihm als Zentrum zur Wiederbesiedelung einer Region, die eine Pufferzone zwischen dem islamischen Reich im Süden und den christlichen Franken im Norden bildete. Das Kloster wurde zu einem großen Zentrum der Gelehrsamkeit und hatte eine beeindruckende Bibliothek vorzuweisen. [184]
Einer der ersten Gelehrten, die diese frühen Übersetzungen studierten, war Gerbert d’Aurillac (ca. 945–1003), ein französischer Mönch, der eine große Liebe zur arabischen Kultur und Wissenschaft entwickelt hatte. Er hatte von ihren vielen großartigen Errungenschaften in Mathematik und Astronomie gehört, unter anderem auch von der Einführung der hinduistisch-arabischen Zahlen. Mit den Arbeiten der großen islamischen Gelehrten machte ihn Atto bekannt, ein Bischof aus Barcelona, der in Córdoba gewesen war und dort al-Hakam kennengelernt hatte; bei seiner Rückkehr war er von der andalusischen Kultur begeistert. Gerbert brachte später als erster christlicher Gelehrter die arabische Wissenschaft über die Pyrenäen nach Europa. [185] Faszinierend ist diese Geschichte vor allem deshalb, weil er später in der katholischen Kirche Karriere machte und zum Papst Sylvester II. wurde. Es erscheint passend: Das christliche Europa wurde zum ersten Mal durch einen Papst mit der Wissenschaft des islamischen Großreiches bekannt gemacht!
Der vielleicht produktivste Übersetzer arabischer wissenschaftlicher Schriften ins Lateinische war der italienische Gelehrte Gerard von Cremona (1114–1187); er war für die Geschichte der Wissenschaftsübermittlung in jeder Hinsicht ebenso bedeutsam wie sein christlicher Kollege Hunayn ibn Ishaq in Bagdad drei Jahrhunderte zuvor. Er war nach Toledo gereist, um Arabisch zu lernen, und wurde berühmt, weil er als Erster das Almagest von Ptolemäus ins Lateinische übersetzte. Außerdem gab er die Tabellen von Toledo auf Lateinisch heraus; sie waren trotz ihrer Schwächen zu jener Zeit die genaueste Sammlung astronomischer Daten, die in Europa zur Verfügung stand. Gerard übersetzte zahlreiche Bücher aus den meisten Wissenschaftsgebieten, darunter die Werke großer Gelehrter wie al-Khwarizmi, al-Kindi, al-Razi, Ibn al-Haytham, Thabit ibn Qurra, Hunayn ibn Ishaq und die Brüder Banu Musa. Ebenso übersetzte er al-Zahrawis medizinische Enzyklopädie, wobei er die chirurgischen Abbildungen peinlich genau kopierte. Es ist Gerard zu verdanken, dass al-Zahrawi genau wie der große Abulcasis [186] in Europa lange Zeit in höherem Ansehen stand als in seiner Heimat.
19.
Eine Karte des Nordirak im Balkhi-Stil mit Städten entlang der Flüsse Euphrat und Tigris. Aus dem Kitab al-Masalik wa al-Mamalik (Buch der Straßen und Provinzen ), das Abu Ishaq Ibrahim al-Istakhri im 11. Jahrhundert verfasste.
Immer noch habe ich den Eindruck, als hätte ich der andalusischen Gelehrsamkeit in diesem kurzen Kapitel nicht ausreichend Gerechtigkeit widerfahren lassen. Ich habe weder den Reiseschriftsteller Ibn Jubayr (1145–1217) noch den Historiker und Philosophen Ibn al-Khatib (1313–1374) erwähnt. Ein wenig möchte ich aber noch über den Geographen al-Idrisi (ca. 1100–1166) berichten. Er wurde in Córdoba ausgebildet, unternahm weite Reisen und ließ sich schließlich in Sizilien nieder, wo er in die Dienste des Normannenkönigs Roger II. trat, um einen neuen Weltatlas zu erstellen. Dieser wurde 1154 vollendet und trug den Titel Das Roger-Buch ( al-Kitab al-Rujari ); besser bekannt wurde es als Tabula Rogeriana . Es gilt als ausführlichste und vollständigste Beschreibung der Welt aus dem Mittelalter und wurde über mehrere Jahrhunderte weg von Reisenden in großem Umfang genutzt; es enthielt detaillierte Beschreibungen über den christlichen Norden wie auch über die islamische Welt, Afrika und den Fernen Osten (siehe Farbtafel 20). Der Atlas beschreibt die Welt als Kugel mit einem Umfang von 37 000 Kilometern und kartiert sie in 70 rechteckigen Abschnitten. Vor 100 Jahren schrieb der Historiker S. P. Scott:
Die Zusammenstellung von al-Idrisi kennzeichnet eine ganze Epoche der Wissenschaftsgeschichte. Nicht nur die darin enthaltenen historischen Informationen sind höchst interessant und wertvoll, sondern auch die Beschreibungen vieler Teile der Erde sind bis heute maßgeblich. Über drei Jahrhunderte hinweg kopierten Geographen seine Landkarten, ohne sie zu verändern. Die in seinem Werk wiedergegebene relative Lage
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