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Im Haus der Weisheit: Die arabischen Wissenschaften als Fundament unserer Kultur (German Edition)

Im Haus der Weisheit: Die arabischen Wissenschaften als Fundament unserer Kultur (German Edition)

Titel: Im Haus der Weisheit: Die arabischen Wissenschaften als Fundament unserer Kultur (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jim al-Khalili
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Gleichzeitig setzte sich die christliche Reconquista unvermindert fort, so dass die muslimisch beherrschten Regionen schrumpften. Mitte des 13. Jahrhunderts stand nur noch das Königreich von Granada unter Kontrolle der Berber. Die letzte Niederlage fügten ihnen Ferdinand von Aragon und Isabella von Kastilien zu: 1492 fiel der befestigte Palast der Alhambra, womit die islamische Herrschaft in Spanien und eine nahezu 800-jährige arabische Kultur zu Ende gingen; ihre Spuren sind noch heute im Südteil Spaniens überall zu sehen.

    Bevor der Islam nach Spanien kam, hatte das christliche Land so gut wie keine wissenschaftliche Tradition. Die Araber, die sich im 8. Jahrhundert dort niederließen, trafen also auf eine ganz andere Situation als die ersten Abassiden in Bagdad, die bereits auf die reichhaltige Kultur der Perser sowie in geringerem Umfang auch auf die griechische Philosophie und das medizinische Wissen der christlichen, ehemals byzantinisch beherrschten Nestorianer zurückgreifen konnten. In Spanien waren die ersten Muslime eine Art Pioniere in einer Provinz, die weit von der Heimat und damit auch weit vom Zentrum des Geschehens entfernt war. Deshalb hinkten sie hinter den Abassiden her, und als Gelehrsamkeit und kulturelle Aktivität schließlich in Gang kamen, waren sie häufig ein Abklatsch: Man kopierte das, was in Bagdad geschah. Hinzu kam noch, dass die Gelehrsamkeit hier nicht den Impuls bekam, den die Übersetzungsbewegung in Bagdad lieferte; deshalb bleibt festzuhalten, dass die eigenständige Wissenschaft in Andalusien nur einen sehr langsamen Aufschwung nahm.
    Am Ende jedoch blühte und gedieh sie. Auf ihrem Höhepunkt dominierten in der andalusischen Wissenschaft nicht die exakten Wissenschaften der Mathematik und Astronomie, sondern Medizin und Philosophie. Wie im Osten, so waren die ersten Ärzte auch im muslimischen Spanien in ihrer Mehrzahl Christen. Sie studierten jetzt aber nicht mehr die Texte von Galen, sondern hatten Zugang zum Besten, was der islamische Osten ihnen bieten konnte, darunter die Übersetzungen von Hunayn ibn Ishaq. Einer der Ersten, die diesen Austausch erleichterten, war ein Kaufmann aus der Stadt Jaen östlich von Córdoba, der nach Bagdad gereist war. Dort lernte er um 920 den großen al-Razi kennen und brachte einige Abschriften von dessen Büchern mit nach Spanien.
    Der allererste große andalusische Wissenschaftler ist vermutlich auch der bekannteste. Er war sogar der einzige mittelalterliche Wissenschaftler, von dem ich schon in meiner Jugend im Irak hörte: Abbas ibn Firnas (810–887), der legendäre Erfinder und Leonardo da Vinci des islamischen Spanien, der auch als erster Luftfahrer der Welt gilt. Er wird auf arabischen Briefmarken geehrt, und nach ihm sind Flughäfen sowie ein Krater auf dem Mond benannt. Ich persönlich bringe ihn aber immer mit meinen aufregenden Sommerferien in Verbindung. Seine Statue mit dem berühmten Flugapparat steht majestätisch auf dem Mittelstreifen der Straße zum internationalen Flughafen von Bagdad. Wenn wir an Ibn Firnas vorüberkamen, wusste ich jedes Mal, dass wir am Flughafen angekommen waren und eine spannende Reise nach England unternehmen würden. Er lebte während der Regierungszeit von Abd al-Rahman II. und war eine schillernde Persönlichkeit sowie ein bemerkenswerter Universalgelehrter und Erfinder. Nachdem er zum Studieren nach Bagdad gereist war, kam er nach Córdoba, um Mathematik und Musik zu unterrichten.
    Ibn Firnas besaß eine unstillbare Neugier und einen Mut, der an Tollkühnheit grenzte. Im Alter von 65 Jahren machte er seine berühmten Flugversuche: Dazu baute er einen primitiven Hängegleiter und ließ sich von der Steilwand eines Berges in Rusafa (spanisch Arruzafa) einige Kilometer nordwestlich von Córdoba fallen. Manchen Berichten zufolge blieb er mehrere Minuten in der Luft, bevor er hart landete und sich am Rücken verletzte. Er konnte zwar Höhe und Flugrichtung steuern, um seinen angepeilten Landeplatz zu erreichen, aber er hatte nicht berücksichtigt, wie wichtig bei Vögeln der Schwanz für das Fliegen ist; später erklärte er, die Landung wäre mit einem Schwanzapparat besser verlaufen. Die Geschichte stammt zum größten Teil aus unbestätigten Berichten, und es ist auch nicht geklärt, ob er ursprünglich auf die Idee kam, nachdem er einen anderen Sensationsdarsteller namens Armen Firman gesehen hatte, oder ob dies nur die latinisierte Form seines eigenen Namens Ibn Firnas war.
    Eine frühe

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