Im Haus der Weisheit: Die arabischen Wissenschaften als Fundament unserer Kultur (German Edition)
führte, einer Bewegung, der sich nicht nur Astronomen anschlossen, sondern auch die besten andalusischen Philosophen wie Ibn Tufayl und Ibn Rushd.
Ende des 11. Jahrhunderts baute al-Zarqali (Arzachel) das erste universelle Astrolabium, das man an jedem Ort der Welt benutzen konnte, während seine Vorgänger jeweils für einen bestimmten Breitengrad konstruiert worden waren. Das Instrument wurde in Europa unter dem Namen saphaea (vom arabischen safiha ) bekannt. Al-Zarqali stellte damit eine Reihe wichtiger Messungen an und gelangte sogar zu der Erkenntnis, dass die Umlaufbahn des Merkurs nicht kreisförmig, sondern oval ist. Manche Autoren stellten naiverweise die falsche Behauptung auf, er habe mit dieser Entdeckung in irgendeiner Form Keplers elliptische Umlaufbahnen vorweggenommen. In Wirklichkeit war er immer noch überzeugt, der Merkur kreise um die Erde. Dennoch war al-Zarqali einer von nur zwei islamischen Astronomen, die Kopernikus in seinem Werk De revolutionibus erwähnte (der zweite war al-Battani).
Einen anderen andalusischen Gelehrten, nämlich Ibn Bajja (Avempace, gest. 1139), haben wir bereits kennengelernt, weil er Ibn al-Haythams Kritik an Ptolemäus angegriffen hatte. Er äußerte die berühmte Vermutung, die Milchstraße bestehe aus vielen einzelnen Sternen und scheine nur deshalb milchig-nebelhaft zu leuchten, weil das Licht von der Erdatmosphäre gebrochen wird (allerdings wurde behauptet, dies habe al-Biruni schon ein Jahrhundert früher gewusst).
Anscheinend stellte eine Gruppe arabischer und jüdischer Astronomen um 1060 auch in Toledo Beobachtungen an. Diese Gruppe verfasste ein zij , das sich auf die Tabellen al-Khwarizmis und des syrischen Astronomen al-Battani stützte. Es sieht so aus, als seien die »Tabellen von Toledo« bei weitem nicht die besten oder genauesten Beispiele für Messungen in der islamischen Astronomie gewesen, aber sie hatten den Vorteil, dass man sie in Toledo aufgestellt hatte, der wichtigsten Stadt für die Übermittlung arabischer Wissenschaft in den Westen. Deshalb wurden die Tabellen von Toledo später von vielen einflussreichen europäischen Astronomen zitiert, unter anderem auch von Kopernikus. Sie fanden sogar Eingang in Chaucers Franklin’s Tale und beweisen damit, dass es oft mehr vom Zufall und weniger von der Qualität abhängt, wenn bestimmte Teile der arabischen Wissenschaft heute bekannter sind als andere.
Viele andalusische Philosophen ließen sich von den Arbeiten al-Kindis, al-Farabis und al-Razis inspirieren, die in Spanien schon frühzeitig bekannt waren. Viele dieser Philosophen verdienen mehr als nur eine beiläufige Erwähnung. Der erste unter ihnen ist Ibn Hazm (994–1064), ein Zeitgenosse der drei großen Gelehrten im Osten, die uns in den beiden vorangegangenen Kapiteln begegnet sind: Ibn al-Haytham, Ibn Sina und al-Biruni. Er stand zwangsläufig ein wenig in ihrem Schatten, und deshalb wurde ihm nicht die Anerkennung zuteil, die er vermutlich verdient hätte; viele Historiker sind aber der Ansicht, dass er als Denker – wenn auch vielleicht nicht als Wissenschaftler – an sie heranreichte. [181] Er war als Philosoph, Theologe und Historiker einer der originellsten Denker im muslimischen Spanien. Am bekanntesten wurde er vielleicht mit seinen Arbeiten zu Rechtswissenschaft und Theologie, er entwickelte sich aber auch zu einem umstrittenen Autor und politischen Aktivisten, der noch in den ersten Jahrzehnten des 11. Jahrhunderts weiterhin die zusammenbrechende Umayyadendynastie unterstützte.
Der berühmteste unter den andalusischen Philosophen war zweifellos Abu al-Walid Muhammad ibn Ahmed ibn Rushd (Averroës, 1126–1198), der vielfach als Vater des säkularen Denkens in Europa und als einer der wichtigsten Philosophen aller Zeiten gilt. Bekannt wurde er, weil er die Arbeiten früherer islamischer Philosophen (die ulama ) wie al-Kindi, al-Razi, al-Farabi und Ibn Sina erweiterte und die aristotelische Philosophie mit islamischer Theologie vereinigte. Da er in dieser Reihe der islamischen Denker der letzte war und gleichzeitig an der Schwelle Europas stand, sollten seine Arbeiten auf dem ganzen Kontinent allgemein bekannt werden. Zeigt man einem durchschnittlich gebildeten Europäer die lange Liste islamischer Philosophen aus dem Mittelalter, dann wird er in der Regel höchstens zwei Namen schon einmal gehört haben: Avicenna und Averroës. Betrachtet man im Vatikan Raffaels wunderbares Gemälde Die Schule von Athen (1510), auf dem
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