Im Heimlichen Grund
freute sich, ein so junges Tier erbeutet zu haben; das Fleisch mußte noch zart sein. Endlich langte er mit seiner Last bei Eva an und prahlte mit den überwundenen Schwierigkeiten.
Eva sparte nicht mit ihrer Bewunderung. In ihre Freude mischte sich aber tiefes Mitleid mit dem anmutigen Tier; sie konnte nicht anders, sie mußte den Kopf des Rehes streicheln, dessen Augen noch im Tode schön waren.
Auch sie konnte sich vor Peter ihrer Arbeit rühmen. Sie stülpte ihm eine aus allerlei Bälgen zusammengesetzte Mütze auf den Kopf und stemmte beide Arme in die Hüften. »Siehst du!« sagte sie, sehr mit sich zufrieden. Beide waren stolz aufeinander.
Peter, der jetzt erst an den Füßen fror, streifte seine durchweichten Dachsschwarten ab, rieb seine Füße kräftig mit Schnee und wühlte sich in seine Schlafgrube ein.
Die gebratene Zunge des Rehbocks war eine arge Enttäuschung. Zusammengeschrumpft, hornig hart und ungenießbar lag sie reizlos auf der Mergelplatte. Um so besser schmeckten die gerösteten Kastanien.
Während des Essens liebäugelte Peter mit seiner Beute und überlegte, wozu er den neuen Balg am besten verwenden könnte.
Eva, die darüber klagte, daß der Wasserkorb, dessen Harzbelag abbröckelte, das Wasser durchsickern ließ, brachte ihn auf einen neuen Gedanken.
Wie wär's, wenn er die Haut des Bocks nicht auf der Bauchseite schlitzte, sondern nur in der Hals- und Schultergegend und sie im ganzen abzöge, wie er kleinere Tiere abzubalgen pflegte? Wenn der Kopfteil abgeschnitten wurde, ließ sie sich als Wasserschlauch gebrauchen.
Noch kaute Peter am letzten Bissen, als er schon an der Arbeit war. Mit Evas Hilfe häutete er den Bock ab. Kopf und Laufenden schnitt er weg und band die Öffnungen fest zu.
Dann machte er aus altem Laub, Rindenstücken, Salz, Asche und Schnee einen Brei an, füllte damit den umgestülpten Rehbalg und hängte diesen im Schiefen Gang auf.
Dann hieß er Eva, am Bach das Gedärm des Bocks zu reinigen und die Harnblase aufzublähen. »Nimm meine Schneeschuhe«, sagte er, »daß du gut 'nunterkommst.« Eva wollte nicht gehen. Da trieb er sie hinaus. Er brauchte die Tageszeit, um an der neuen Steinaxt zu arbeiten. Wenn er den grünen Stein auch noch nicht zu durchbohren vermochte, so wollte er ihm wenigstens eine scharfe Schneide anschleifen.
Den Steinkeil selbst hatte er in einer Fuge des Arbeitsblockes festgeklemmt. Mit beiden Händen führte er ein längliches, flaches Sandsteinstück darüber hin und her. Der grünliche Schleifstaub stieg ihm so lästig in die Nase, daß er den Steinkeil immer wieder mit Wasser begoß; dabei merkte er, daß der feuchte Stein sich besser schleifen ließ als der trockene.
Bevor er viel ausrichten konnte, kehrte Eva zähneklappernd zurück; ihre Knie zitterten vor Kälte, so daß sie sich kaum auf den Beinen halten konnte. Sie warf die oberflächlich gereinigten Eingeweide auf den Boden, streifte mit steifen Fingern die Schneeschuhe ab und wollte in ihre Kammer hinauf. Peter aber, der über ihr Aussehen erschrocken war, rieb ihre Füße und Hände mit Schnee ab.
Eva verkroch sich alsbald in ihrem Lager. Sie kauerte sich unter ihrem Rehfell zu einem Knäuel zusammen und hauchte in die gefalteten Hände. Da fiel Peter ein, daß er den beladenen Schlitten holen mußte. Er beeilte sich damit, um Eva nicht lange allein zu lassen. Als er zurückkam, zitterte sie noch immer vor Kälte.
Da machte er sich daran, zwei Schulterstücke des Rehböckchens vielfach zu schlitzen und mit Wacholderbeeren, Lauchschnitten, Salz und Quendel zu würzen. Das sollte ein Braten werden!
Noch war er nicht fertig, als Eva leise, mit kaum verständlicher Stimme rief: »Peter, Peter, mir – ist – ist – sooo – ka-alt!«
»Ich bring' dir gleich was Warmes zum Essen!« rief er hinauf und fuhr fort, die an einen grünen Stab gespießten Fleischstücke über dem Feuer zu drehen. Während der halbgare Braten ein wenig abkühlte, belegte er den Rand des Feuers mit Kastanien. Auf einer Mergelplatte trug er dann die Rehschulter, umgeben von halbverkohlten Kastanien, zu Eva hinauf, und sie grub ihre Zähne in das noch dampfende Fleisch.
Peter nickte ihr befriedigt zu: »Essen, Eva, essen – das macht warm!« Dann holte er sich auch seine Mahlzeit herauf. Diesmal aßen beide mehr, als zur Stillung des Hungers nötig war.
Als Eva die letzte Kastanie verzehrt hatte, schob sie Peter die leere Steinplatte zu: »So, gut war's, jetzt ist mir wärmer. Nur für die
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