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Im Herzen der Koralleninsel: Ein Südseeroman (German Edition)

Im Herzen der Koralleninsel: Ein Südseeroman (German Edition)

Titel: Im Herzen der Koralleninsel: Ein Südseeroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inez Corbi
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Wasser ausgewaschen, aber danach war es kaum besser geworden. Schweren Herzens verzichtete sie darauf, es anzulegen. In ihrem restlichen Reisegepäck, das noch bei Herrn von Faber stand, hatte sie ein weiteres Korsett, aber für ein paar Tage würde es wohl auch ohne gehen. Nicht fest eingeschnürt zu sein fühlte sich zuerst ausgesprochen ungewohnt an. Anfangs fürchtete sie sogar, sich ohne das Korsett nicht aufrecht halten zu können. Aber schon nach wenigen Stunden hatte sie sich an die neue Freiheit gewöhnt, und das Gefühl losen Stoffs auf ihrer Haut war bei diesen tropischen Temperaturen durchaus angenehm.
    Beim Sonntagsgottesdienst in der schlichten, aus Buschholz und Gras erbauten Missionskirche spielte sie erstmals auf dem Harmonium. Neben den Kostschülern hatten sich auch viele Jabim in der Kirche versammelt. Isabel verstand so gut wie nichts von der Predigt, die Bruder Lorenz in stockendem Jabim vortrug, aber sie griff kräftig in die Tasten, als das erste Lied angestimmt wurde. »Ein reines Herz, Herr, schaff in mir« – Conrad hatte dieses und noch ein paar weitere deutsche Kirchenlieder auf Jabim übersetzt. Die Eingeborenen sangen zwar nicht mit – noch erschienen ihnen die Lieder der deutschen Missionare zu fremdartig, verglichen mit ihren eigenen Gesängen, wie Bruder Lorenz Isabel erklärt hatte –, aber hier und da war immerhin der Ansatz einer mitgebrummten Melodie zu erkennen.
    Auch Noah, der sich bei den täglichen Andachten nie blicken ließ, war gekommen. Er trug Hemd und Hose und hatte ein blaues Tuch um seinen Haaransatz geknotet – offenbar sein Sonntagsstaat.
    Am frühen Morgen war er noch anders gekleidet gewesen. Wie ein Dschungelgeist war er auf die Lichtung getreten, nur mit dem roten Lendentuch um die Hüften, in der Hand mehrere kleine Wildtiere, vermutlich Tauben und Kuskus. Für einen Moment war sie nicht sicher, ob er es wirklich war, denn milchiger Morgennebel hing zwischen den Palmen und Farnen, und er hatte einen Bogen bei sich statt des Gewehrs. Aber dann erkannte sie ihn; keiner der Jabim war so hochgewachsen, und niemand von ihnen trug das Haar so wie er. Er hatte sie gesehen, wie sie da auf der Veranda stand, und grüßend die Hand mit dem Bogen gehoben.
    In den vergangenen Tagen hatte sie sich dabei ertappt, dass sie immer wieder daran denken musste, wie er sie von den Seeigelstacheln befreit hatte. Und daran, wie sich seine Hände auf ihrem Fuß angefühlt hatten.
    Für einen Moment griffen ihre Finger falsch, und ein schräger Ton schlich sich in die Melodie. Schamrot beugte sie den Kopf tief über die Tasten und vermied es für den Rest des Liedes aufzuschauen.
    *
    » Tisa Isa, tisa Isa!«, erscholl es von allen Seiten. Isabel war umringt von gut zehn Jabim-Frauen, während sie vor einem Tisch im Küchenhaus stand und Süßkartoffeln in eine große hölzerne Schüssel rieb. Sie hatte nicht mit so viel Interesse gerechnet, aber sie hätte es sich denken können: Alles, was sie oder die Missionsbrüder taten, fand früher oder später Zuschauer.
    Die Frauen lachten und schnatterten in ihrer Sprache, die Isabel noch immer viel zu schwer und unverständlich fand, um mehr als nur ein paar Worte zu erfassen, und drängten sich in ihren raschelnden Palmblattröckchen um sie. Anders als die Männer, die sich und ihre schwarzen, üppigen Kraushaare mit Kakadufedern, Eberzähnen und Bändern schmückten, trugen die Frauen ihr Haar kurzgeschoren und schmucklos. Isabel fühlte sich mit der roten Hibiskusblüte in ihrem hochgesteckten Haar fast schon unpassend gekleidet.
    Anfangs waren ihr die Jabim alle gleich vorgekommen, mittlerweile konnte sie sie jedoch unterscheiden und kannte sogar die Namen der meisten. Allmählich gewöhnte sie sich auch an den Anblick der von kurzen Pflöcken durchbohrten Nasenscheidewände – sie fand es gar nicht mehr hässlich, sondern fast schon ansprechend. Vor allem mit Yerema verband sie inzwischen eine zarte Freundschaft. Seit Isabel ihre kleine Tochter behandelt hatte, deren Husten sich tatsächlich gebessert hatte, war die junge Eingeborene richtiggehend anhänglich geworden. Auch wenn sie nicht dieselbe Sprache sprachen, so gelang es den beiden Frauen doch, sich auszutauschen. Isabel wusste inzwischen, dass Yerema mit einem Mann namens Kamelun verheiratet war und dass sie neben Nikinu noch ein zweites, jüngeres Kind hatte. Und dass sie wunderbare, mit Ananas und Papaya gefüllte Sagopfannkuchen zuzubereiten wusste.
    Jetzt sah Yerema ihr

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