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Im Herzen der Koralleninsel: Ein Südseeroman (German Edition)

Im Herzen der Koralleninsel: Ein Südseeroman (German Edition)

Titel: Im Herzen der Koralleninsel: Ein Südseeroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inez Corbi
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Gesicht kaum mehr erkennen.
    »Wieso haben Sie Herrn Konings getötet?«, fragte sie leise.
    »Wieso?« Er lachte gequält auf. »Ich weiß ja nicht einmal, ob ich es überhaupt getan habe! Ich kann mich nicht mehr erinnern, was ich in der letzten Nacht gemacht habe, außer mich zu betrinken.«
    Sie stieß vorsichtig die Luft aus. Er klang aufrichtig, geradezu verzweifelt – aber sie hatte nicht vergessen, dass er ein hervorragender Schauspieler war. Wer sagte ihr, dass er sie gerade nicht schon wieder anlog?
    »Aber wahrscheinlich hast du recht«, setzte er leise hinzu. »Wer sollte es denn sonst gewesen sein?«
    Der Hunger war ihm offenbar vergangen. Sie hörte mehr als sie sah, dass er aufstand und die Bastschnur von der Palme löste, an die er sie gebunden hatte. »Wir sollten schlafen. Wir haben morgen einen anstrengenden Marsch vor uns.«
    Ihr Herz sank. Das klang nicht so, als hätte er vor, sie demnächst zurückkehren zu lassen. Dennoch kroch sie gehorsam in den niedrigen Unterschlupf, nachdem sie sich noch schnell im Schutz der Dunkelheit hinter der großen Palme erleichtert hatte.
    Er hatte sich wirklich Mühe gegeben; der mit Farn ausgepolsterte Boden war erstaunlich weich und bequem, es roch angenehm frisch nach feuchtem Gras. Sie zog ihren Rock nach unten und glättete den Stoff. Als sie sich auf dem Farnboden ausstreckte, merkte sie, wie erschöpft sie war. Sie hätte auf der Stelle einschlafen können. Aber mit einem Mal war sie wieder hellwach. Jetzt erst ging ihr auf, dass er nur einen Unterschlupf gebaut hatte. Wollte er … etwa auch hier schlafen?
    Als sie sich klarmachte, was gleich geschehen würde, stieg lähmende Furcht in ihr auf. Dieser Mann war womöglich ein Mörder. Gut, er würde sie wohl nicht töten, das hatte sie inzwischen begriffen. Aber es gab noch ganz andere Sachen, die er ihr antun konnte.
    Stocksteif lag sie da, ihr Herz schlug in schmerzhaften, hastigen Stößen. Hatte sie tatsächlich erst gestern Nacht sehnsuchtsvoll an ihn, an seinen Körper gedacht? Sich vorgestellt, wie es wäre, sich ihm … hinzugeben? Jetzt dagegen hatte sie nur noch Angst.
    Bitte, lieber Gott, flehte sie stumm, errette mich aus meiner Not. Sie würde es ihm schwermachen. Sie wusste, dass sie gegen ihn keine Chance hatte, aber sie würde sich nicht kampflos schänden lassen. Lass mich das alles hier unbeschadet überstehen. Lass mich …
    Sie zuckte zusammen, als er in den Unterschlupf kroch. Ein leises metallisches Klirren von den Handschellen erklang, sie roch seinen Schweiß, seine Nähe, dann legte er sich dicht neben sie.
    Ihr ganzer Körper verkrampfte sich. Sie wollte tapfer sein, aber sie konnte nicht verhindern, dass ihr Tränen der Angst über das Gesicht liefen.
    »Bitte«, flüsterte sie. »Bitte, tun Sie mir nicht weh!« Mit Mühe konnte sie ein Schluchzen unterdrücken.
    Sie hörte es rascheln und leise klirren, als er sich zu ihr drehte. »Was?« War da tatsächlich Empörung in seiner Stimme? »Willst du damit etwa sagen, ich könnte mich an einer hilflosen Frau vergehen? Für wen hältst du mich?«
    Sie gab keine Antwort, aber ihr Herz schlug ein kleines bisschen langsamer.
    »Hab keine Angst.« Seine Stimme in der Dunkelheit war plötzlich ganz sanft. »Ich werde dir nichts tun. Niemals.«
    Sie blieb stocksteif liegen, ihr Körper in Abwehr erstarrt. Sprach er wirklich die Wahrheit?
    »Glaubst du mir?«
    Sie suchte nach Worten und fand keine. Also schwieg sie.
    »Das ist Antwort genug.« Es raschelte, dann spürte sie, wie er sich zum Eingang schob. »Ich werde dich nicht länger belästigen.«
    Sie hörte, wie er den Unterschlupf verließ. Reglos blieb sie liegen, mit offenen Augen. War er wirklich weg?
    Vorsichtig streckte sie die Hand aus und legte sie auf den frei gewordenen Platz neben sich. Der Farn war noch warm von Noahs Körper.
     

9.
    »Bist du fertig?« Noahs Stimme war erschreckend nah. Natürlich – die Bastschnur, die er ihr erneut um die Taille gebunden hatte, war ja auch höchstens zwei Meter lang. Isabel, die mit gerafftem Rock zwischen den Büschen kauerte, senkte den Kopf. Über Nacht hatte es geregnet; das dunkle Grün der Blätter glänzte vor Nässe, und von den Bäumen tropfte es.
    »Einen Augenblick.«
    »Wie lange dauert es denn noch?«
    Sie duckte sich noch etwas tiefer, ihr Gesicht glühte vor Scham. »Es geht nicht, wenn Sie so nah dabeistehen«, murmelte sie.
    Sie hörte sein Seufzen. »Ich kann es leider nicht ändern. Wenn ich dich losbinde, wirst

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