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Im Herzen der Koralleninsel: Ein Südseeroman (German Edition)

Im Herzen der Koralleninsel: Ein Südseeroman (German Edition)

Titel: Im Herzen der Koralleninsel: Ein Südseeroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inez Corbi
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anders, als das Spiel seiner Muskeln unter der bronzefarbenen Haut zu bewundern. Auch die störrische Fülle gedrehter schwarzer Haarsträhnen auf seinem Kopf faszinierte sie. Wie viele der fingerlangen Stränge es wohl sein mochten? Sicher an die zweihundert.
    Erneut ging es leicht bergauf, über rutschigen Boden, der sie immer wieder ausgleiten ließ, vorbei an Farnen und rankenbewachsenen Bäumen. Noah machte nur kurze Pausen, dann trieb er sie weiter. Ihr Hinken kehrte zurück.
    »Bitte«, keuchte sie. »Ich kann nicht so schnell!«
    Er blieb stehen. »Was ist los? Ihr krankes Bein?«
    Sie starrte ihn überrascht an. »Was … woher?«
    »Ich habe schon in Simbang gesehen, dass Sie leicht hinken, wenn Sie aufgeregt sind. Was ist passiert – haben Sie sich irgendwann verletzt?«
    »Nein. Ich … ich hatte Kinderlähmung.«
    »Was ist das?«
    »Eine Krankheit, die zu Lähmungen und Muskelschwäche führt. Es ist lange her, aber seitdem macht das Laufen manchmal Probleme.« Sie rieb sich über den verkrampften rechten Oberschenkel.
    »Ich könnte Sie wieder ein Stück tragen.«
    »So wie gestern? Nein danke. Kopfüber hängend durch die Wildnis geschleppt zu werden ist nicht gerade das, was wohlerzogene junge Damen am Vormittag zu tun pflegen.«
    Ein Lächeln glitt über sein verschwitztes Gesicht, in dem seine Augen wie zwei blaue Saphire wirkten. »Alle Achtung, Sie können ja richtig schlagfertig sein.«
    Auch sie lächelte zaghaft. Für einen Moment fühlte sie sich zurückversetzt zu den Tagen ihres ersten unbeschwerten Geplänkels in Simbang. Ihr Blick wich dem seinen aus, ging an ihm vorbei ins Gebüsch hinter ihm. In mehreren engen Windungen hing dort ein langer grasgrüner Körper über einem Ast. In der Mitte der Schlingen lag ein Kopf, aus dem sie helle Augen mit geschlitzten Pupillen starr ansahen.
    Mit einem Schrei fuhr Isabel zurück. »Passen Sie auf, da ist eine Schlange! Eine riesige Schlange!«
    Ihr Herz raste, ihr war schlagartig übel vor Angst. Hatte Noah nicht vorhin erst davon gesprochen, wie gefährlich der Dschungel sein konnte?
    Auch er war bei ihrem Schrei ausgewichen, nach vorne, näher zu ihr. Jetzt entspannte er sich – und ging sogar auf die Schlange zu.
    Isabel sog erschrocken die Luft ein. »Hören Sie auf! Was tun Sie denn da?«
    »Das ist nur eine jamumong «, erklärte er. »Eine grüne Baumschlange. Sie ist nicht gefährlich, jedenfalls nicht für Menschen. Bei den Kâte spielen die Kinder mit ihr. Und dann essen sie sie. Sie gilt sogar als Delikatesse.« Er streichelte leicht über die grünen Schuppen. Dann nahm er sein Hemd, das er sich um die Hüfte gebunden hatte, knöpfte es zu und knotete Ärmel und Halsöffnung zu einer Art Tasche zusammen. Isabel ahnte mit leichtem Schaudern, was er vorhatte. Sollte sie etwa – Schlange essen?
    Noch immer nicht vollständig beruhigt, sah sie zu, wie er die züngelnde Schlange behutsam vom Baum löste, Windung für Windung. Der Körper war lang und von einem satten Grünton, auf dem sich ein paar weiße Flecken verteilten.
    »Ich dachte, alle Schlangen hier seien giftig«, sagte sie.
    »Nein, nicht alle. Aber die meisten. Diese hier erwürgt ihre Beute. Doch da ich kein kleiner Kuskus bin, kann mir nichts passieren.« Er hielt einen Moment inne, die Schlange in beiden Händen, und grinste sie an. »Geben Sie es zu: Sie hatten Angst um mich.«
    Hitze schoss ihr ins Gesicht. »Keineswegs. Ich wollte nur verhindern, dass ich alleine hier herumirren muss.«
    Die Schlange begann, sich wie ein außergewöhnlicher Schmuck um Noahs Arm zu winden. Aber schon hatte er sie in die behelfsmäßige Tasche gepackt und knotete das Hemd zu. Dann griff er nach der Bastschnur um Isabels Taille. Ihr war gar nicht aufgefallen, dass er sie losgelassen hatte. »Kommen Sie, wir müssen weiter.«
    *
    Das Unterholz war jetzt vollständig verschwunden, Moos und kniehohe Farne bedeckten den Boden. Sie hatten den Rücken eines Berggrats erreicht, vor ihnen erstreckten sich tiefe Täler und Schluchten, von dunkelgrünem Wald bedeckt. Isabel saß an einem hohen Baum und gönnte ihrem Bein eine Ruhepause. Um sie herum erhoben sich gewaltige, astlose Stämme, die auf der Wetterseite mit langsträhnigem Moos bewachsen waren und erst weit oben eine dichte Krone trugen. Als führten diese Baumriesen einen stillen, erbitterten Kampf um Luft und Licht. Schweigsam und feierlich kam Isabel dieser Wald vor, wie ein Dom oder eine gewaltige Säulenhalle.
    Auch Noah war stehen

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