Im Herzen der Koralleninsel: Ein Südseeroman (German Edition)
gehüllt, dessen Rock über dem Gesäß mit einer Tournüre aufgebauscht war, die ihre schmale Taille höchst vorteilhaft betonte. Ihr blondes Haar fiel in weichen Ringellöckchen in ihre Stirn und war im Nacken zu einem kunstvollen Chignon gebunden. Sie wirkte vollkommen beherrscht. Nichts deutete auf ihre vorhin im erregten Flüsterton geführte Unterhaltung hin. Mit wem sie wohl geredet hatte? Oder hatte Isabel sich das alles doch nur eingebildet?
»Etwas zu trinken?« Einhändig goss von Faber Gin ein, wobei er ein wenig verschüttete, und reichte ihr dann das Glas. Isabel bemühte sich, nicht auf die Stelle zu sehen, wo seine linke Hand gewesen wäre.
»Danke.« Sie nahm das Glas. »Ich … Vielen Dank, Herr von Faber, dass Sie mich hier aufgenommen haben während meiner … Unpässlichkeit. Das war ausgesprochen freundlich von Ihnen.«
»Oh, aber ich bitte Sie! Ich freue mich, dass wir helfen konnten. Und bitte, bleiben Sie, so lange Sie möchten. Es tut gut, ein junges, frisches Gesicht hier zu sehen. Henriette, so ist es doch?«
Isabel warf einen schnellen Seitenblick auf seine Schwester. Irrte sie sich, oder glitt für einen Moment ein säuerlicher Ausdruck über die sonst so gefasste Miene?
»Berthold hat recht«, sagte Henriette. »Sie sind hier herzlich willkommen. Aber setzen Sie sich doch.«
Das Essen war eine eher steife Angelegenheit. Kiso trug die Speisen auf. In einer großen Schüssel schwamm eine undefinierbare Masse von Fleischbrocken in einer braunen Sauce – Schildkrötenragout, wie Herr von Faber erklärte. Dazu wurden Rettichsalat und Kartoffelbrei aus Süßkartoffeln gereicht. Es schmeckte nicht schlecht, wenn auch ungewohnt. Ihr Gastgeber griff beherzt zu, seine Schwester begnügte sich mit wenigen Happen. Isabel zwang sich ebenfalls zur Zurückhaltung, obwohl ihre Übelkeit vergangen und sie hungrig war.
»Zu Hause schmeckt es doch am besten«, erklärte von Faber, während er sich zum zweiten Mal aus der Schüssel bediente. »Die meisten der Kompagnie-Angestellten essen allerdings kostenfrei in der Speiseanstalt. Leider zeichnet sich das dortige Essen durch kulinarische Eintönigkeit aus. Es gibt kaum etwas anderes als süße Kartoffeln und Dosenfleisch, und das ist auch noch von schlechter Qualität.« Er schüttelte den Kopf und verzog das Gesicht. »Ich habe es einmal probiert – nicht zu empfehlen. Auf dem Teller zerfällt es in eine trockene Masse zäher Fäden und schmeckt wie ein Stück altes Schiffstau, das man in Stearin gekocht hat. Auf der Speisekarte heißt das dann ›Kabelgarn‹.«
Isabel lächelte. Herr von Faber war ein netter Mann und gab sich sichtlich Mühe, damit sie sich wohl fühlte. Tatsächlich entspannte sie sich allmählich ein wenig.
Der Mückenstich auf ihrem Handrücken juckte. Sie legte das Besteck zur Seite und kratzte sich unauffällig. Dennoch entging ihr nicht der flüchtige Blick von Henriette, die in vollendeter Anmut neben ihr saß.
»So, liebe Isabel«, sagte sie, kaum dass sie sich den Mund abgetupft hatte, »nun müssen Sie uns aber ein bisschen von sich erzählen. Ich brenne vor Neugier! Wie kommt eine junge Frau wie Sie dazu, nach Kaiser-Wilhelms-Land zu reisen, um hier einen Missionar zu heiraten?«
»Henriette, ich glaube nicht, dass Fräulein Maritz …«
»Nein, nein«, beeilte sich Isabel zu sagen, obwohl sich etwas in ihr sträubte. »Sie haben mich hier so gastfreundlich aufgenommen, da ist es Ihr gutes Recht, etwas über mich zu erfahren.«
Berthold von Faber lächelte sie verlegen an; sie konnte ihm ansehen, dass auch er Antworten wollte. »Was Ihrem Verlobten zugestoßen ist, tut mir sehr leid.«
»Danke, das ist sehr liebenswürdig. Kannten Sie ihn denn?«
»Ja, wenn auch nur flüchtig. Wir Deutschen sind hier alle mehr oder weniger miteinander bekannt. Er war ein netter junger Mann.«
»Nun ja, vielleicht ein wenig zu still für meinen Geschmack«, wandte Henriette ein. »Vermutlich hätten Sie gut zu ihm gepasst – Sie scheinen mir auch so eine Stille zu sein.« War das etwa ein Vorwurf? »Wo haben Sie sich kennengelernt?«
Isabel schoss erneut das Blut in die Wangen. Herrje, würde sie diese Schüchternheit wohl jemals ablegen?
»Wir … wir kannten uns nicht richtig. Nicht persönlich. Nur über Briefe.«
Stockend begann sie zu erzählen. Von ihrer Kindheit als jüngstes von fünf Kindern des Pastors von Zirndorf. Wie der Vater ihr eines Tages erzählt hatte, dass die Missionare aus dem nahe gelegenen
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