Im Herzen der Nacht - Roman
einer rosa Wolke wohnt?«
»Nun ja, die Atmosphäre in deiner Hütte wirkt ein bisschen düster. Deprimiert dich das nicht?«
»Eigentlich nicht.« Talon zuckte die Achseln. »Darüber denke ich nicht mehr nach.«
»Ich will ja nicht unhöflich sein. Aber ich glaube, das tust du nur selten.«
»Was?«
»Nachdenken. Du bist einer dieser Typen, die einfach nur leben, nicht wahr? Kein Gedanke an die Vergangenheit oder die Zukunft, nur an deine Pläne für die nächste Stunde.«
Talon warf seine Schlüssel auf einen der Tische, neben den größten Computer. Wie scharfsinnig sie ist. Das gehörte zu
den Nachteilen der Unsterblichkeit, man strebte keine besonderen Ziele an. Im Großen und Ganzen verlief sein Alltag ziemlich eintönig: Er stand auf, pirschte sich an Daimons heran, machte ihnen den Garaus und kehrte nach Hause zurück. Natürlich dachte ein Dark Hunter niemals an die Zukunft. Sie kam so oder so auf ihn zu.
Und die Vergangenheit... Welchen Sinn hätte es, schmerzliche Erinnerungen heraufzubeschwören?
Er wandte sich zu Sunshine und sah den leidenschaftlichen Glanz in ihren Augen. Offensichtlich liebte sie das Leben, und das faszinierte ihn.
Wie mochte es sein, wieder so zu leben, freudig in die Zukunft zu schauen und Pläne zu schmieden? »Wahrscheinlich denkst du dauernd an die Zukunft.«
»Ja, sicher.«
»Und was wünschst du dir?«
Sunshine legte ihren Rucksack neben den Schreibtisch. »Je nachdem. Manchmal träume ich davon, meine Werke im Guggenheim-Museum oder im Met auszustellen.«
»Sehnst du dich nie nach einer Familie?«
»Solche Träume hat jeder.«
»Nein, nicht jeder.«
Sie runzelte die Stirn. »Oh - du nicht?«
Schweigend starrte er ins Leere und dachte an die Nächte, wo er hellwach neben seiner schlafenden Frau gelegen, ihren Bauch berührt und die Bewegungen seines ungeborenen Sohnes gespürt hatte. Er erinnerte sich an seine einstigen Träume. In Nynias Augen hatte er künftige Jahre gesehen, sie beide im Alter, glücklich und zufrieden, von Kindern und Enkeln umringt. Und mit einer einzigen unüberlegten emotionalen Tat hatte er seine Gemahlin und sich
selbst verdammt, alle gemeinsamen Träume zerstört, jede Hoffnung. Diese maßlose Qual in seiner Brust... »Nein, ich nicht«, flüsterte er. Nur mühsam rangen sich die Worte aus seiner verengten Kehle. »Ich denke nie an eine Familie.«
Bestürzt hörte Sunshine seine gepresste Stimme, er räusperte sich. Hatte ihre Frage ihn verletzt?
Während er ihr zeigte, wo sie ihren Rucksack und die Reisetasche verstauen sollte, läutete das Telefon, und er meldete sich. Inzwischen packte sie die wenigen Sachen aus, die sie brauchen würde.
»Hallo, Nick... Ja, ich habe von Zareks Aktivitäten gehört...« Unbehaglich schaute er zu Sunshine hinüber und lauschte. »Nein, Mann, ich... eh... Im Augenblick bin ich nicht allein, okay?«
Obwohl er davonging, hörte sie immer noch, was er sagte. Anscheinend war er nervös. Warum?
»Vorhin habe ich mit Zarek gesprochen, und ehe das geschah, hatte er eindeutig roten Mojo-Saft getrunken. Keine Ahnung, was in ihn gefahren ist. Jedenfalls war er furchtbar schlecht gelaunt...« Er verstummte für mehrere Sekunden. »Ja... hör zu, ich habe eine Frau bei mir. Sie heißt Sunshine. Wenn sie dich anruft und was will, tust du’s, ohne deine große Klappe aufzureißen... Ja, bis später«, fügte er hinzu und legte auf.
»Wer ist Nick?«, fragte sie.
»Mein persönlicher Assistent, er steht auf meiner Lohnliste. Falls du was brauchst, wählst du die Vier und die Raute-Taste, dann klingelt sein Handy.«
Also, wenn das nicht cool war. »Hast du wirklich einen persönlichen Assistenten?«
»Unglaublich, nicht wahr?«
»Nun, du bist der erste millionenschwere Biker mit einem persönlichen Assistenten, den ich kennen gelernt habe.«
Talon lachte.
»Und was ist ein roter Mojo-Saft? Eine Weinsorte?«
»So was Ähnliches«, erwiderte er verlegen.
Schon wieder ein Geheimnis. Der Mann muss endlich etwas lockerer werden und mir vertrauen. Daran würde sie arbeiten.
Talon schlenderte zur Kochnische. »Wie’s dir geht, weiß ich nicht. Aber ich bin ziemlich aufgedreht. Normalerweise schlafe ich erst bei Tagesanbruch ein. Hast du Hunger?«, fragte er und nahm ein paar Töpfe aus seinen Schränken.
»Nein, eigentlich nicht. Aber wenn du willst, koche ich dir was.«
»Oh...« Erstaunt blickte er auf. »Danke, das wäre nett.«
Sunshine nahm ihm einen Topf aus der Hand und stellte ihn auf den
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