Im Herzen der Nacht - Roman
Ehefrau nie mehr erlebt.
Gewiss, nach dem Sex mit anderen Frauen war er an ihrer Seite eingeschlafen, nur für kurze Zeit, bis zur Trennung.
Aber nun würde er den ganzen Tag mit Sunshine beisammenbleiben, ihren Körper spüren. Sie gähnte wieder. »Gleich komme ich zurück.«
Er schaltete das Licht an und beobachtete sie wortlos, während sie ein T-Shirt aus ihrer Reisetasche nahm und ins Bad ging. Dann hörte er Wasser rauschen, wie sie ihre Zähne putzte. Welch eine seltsame Situation. Erinnerungen stürmten auf ihn ein - Erinnerungen, die er absichtlich vergessen hatte.
In so vielen Nächten hatte er im Bett auf seine Frau gewartet. Er schaute ihr zu, wenn sie ihr Haar bürstete, bis es im Feuerschein glänzte, und sorgsam flocht, bevor sie zu ihm kam. Und die Abende - so oft hatte sie vor den Flammen gesessen und genäht und vor sich hin gesummt.
Er blickte zu der Kommode hinüber, auf der Sunshines Kosmetiktasche lag, zwischen einer rosa Haarbürste und einem Fläschchen, das vermutlich ihr Patschuli-Öl enthielt. Wie deplatziert diese Sachen neben seinen eigenen wirkten - feminine, fremdartige Dinge, die ihn erschütterten.
So schmerzlich hatte er es vermisst, sein Leben mit jemandem zu teilen, mit einem Menschen, den er liebte, der ihn liebte. In all den Jahrhunderten hatte er nicht gewagt, solchen Gedanken nachzuhängen. Nun wurde ihm die Einsamkeit eines Dark Hunters so qualvoll bewusst wie nie zuvor.
Sunshine verließ das Bad, die Haare immer noch zu Zöpfen geflochten. Unter dem Saum des T-Shirts sah er ihre wohlgeformten Beine. Ihr Lächeln krampfte sein Kriegerherz zusammen.
Vor Jahrhunderten hatte er sich auf die Schlachten gefreut, in der Gewissheit, er würde, wenn er die Kämpfe überlebte, in zärtliche Arme zurückkehren, die Erlebnisse einer verständnisvollen
Seele schildern. Als Dark Hunter durfte er bestenfalls hoffen, vor dem Computer oder neben dem Telefon zu sitzen und jemanden über die Ereignisse zu informieren, der viele hundert oder tausend Meilen weit entfernt war. Das hatte ihn nie zuvor gestört. An diesem Abend irritierte es ihn.
»Bist du okay?«, fragte sie.
Er nickte.
Damit überzeugte er sie nicht, denn sein Gesicht verriet eine starke innere Anspannung. »Hast du dich anders besonnen? Soll ich nicht bei dir bleiben?«
»Doch«, entgegnete er hastig. »Aber... es war eine lange Nacht.«
»Erzähl mir davon.« Sie sank auf den Futon und breitete die schwarze Decke über ihren Körper. Dann löschte sie die Nachttischlampe. Talon betrachtete sie. Zur Wand gedreht, lag sie auf der Seite, wirkte winzig klein in dem breiten Bett und so begehrenswert.
Ehe er sich zurückhalten konnte, kroch er hinter ihr ins Bett, umarmte sie und drückte ihren Rücken an seine Brust.
»Mmmm«, murmelte sie schläfrig, »das gefällt mir.«
Die Augen voller Wehmut geschlossen, atmete er ihren Duft ein. So unglaublich gut fühlte sie sich an.
Nae!, schrie eine innere Stimme. Das konnte er nicht tun, so viel durfte sie ihm nicht bedeuten. Am nächsten Morgen musste er sie in ihr Leben zurückschicken und sein eigenes weiterführen - allein. Eine andere Möglichkeit gab es nicht. Er hauchte einen Kuss auf Sunshines Scheitel und zwang sich einzuschlafen. Niemals durfte sie zu ihm gehören, für ihn war sie nur ein Zwischenspiel.
Sunshine lauschte seinen Atemzügen. Für die Emotionen,
die sie an der Seite dieses Mannes erfassten, gab es keine Worte. Als würden sie zusammengehören. Als wären sie füreinander bestimmt. Warum nur?
Wie lange es dauerte, bis sie endlich einschlief, wusste sie nicht. Dann hatte sie einen sonderbaren Traum. Sie sah einen jungen Talon, etwa zwanzig Jahre alt, einen langen, goldblonden Zopf am Rücken. An seiner linken Schläfe hingen zwei dünne kürzere Zöpfchen. Ein dichter, dunkelblonder Bart bedeckte sein jugendliches Gesicht. Trotzdem erkannte sie ihn, den jungen Mann, der ihre ganze Welt bedeutete.
Sein nackter, starker Körper neigte sich über sie, und er drang in sie ein, so zärtlich und liebevoll, dass ihr Herz jubelte und gleichzeitig schmerzte. »Oh, meine süße Nyn«, flüsterte er in ihr Ohr. Jedes Wort betonte er mit einer betörenden Bewegung. »Wie kann ich dich verlassen?«
Mit beiden Händen umfing sie sein Gesicht und küsste ihn. Während er sie liebte, schob sie ihn ein wenig von sich, um in seine bernsteinfarbenen Augen zu schauen. »Du hast keine Wahl, Speirr. Zu hart hast du gekämpft, viel zu sehr gelitten, um das Erbe
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