Im Herzen der Nacht - Roman
Frage zerriss ihm fast das Herz. Wie gern würde er seine Seele noch einmal verkaufen, könnte er den Rest der Ewigkeit mit Sunshine verbringen! »Doch. Aber du musst zugeben, wir kennen uns kaum.«
»Wenn ich dich anschaue, kenne ich dich, Talon. Ich spüre dich so tief in meinem Herzen, dass es schmerzt. Fühlst du das nicht auch?«
O ja. Aber das durfte er ihr nicht gestehen. Nicht nur
Gefühle standen zwischen ihnen, auch der Zorn zweier alter Götter, die es gar nicht schätzen würden, wenn er sich für eine Zukunft an Sunshines Seite entschied. »Ich führe ein gefährliches Leben. Vielleicht wird Artemis mir meine Seele gar nicht zurückgeben. Oft genug hat sie sich geweigert, Dark Huntern diese Bitte zu erfüllen. Und selbst wenn sie nachgibt,wäre es möglich, dass du die Prüfung nicht bestehst, mich nicht befreist. Außerdem habe ich vor vielen Jahrhunderten einen keltischen Gott beleidigt. Sein Rachedurst ist noch lange nicht gestillt. Wann immer ich einen Menschen liebe, tötet er ihn. Was glaubst du, warum ich allein im Sumpf wohne? Meinst du, das Einsiedlerdasein gefällt mir? So gern hätte ich einen Knappen bei mir oder einen menschlichen Freund. Aber das wage ich nicht.«
In Sunshines Augen trat ein stählerner Glanz, als hätte sie einen Plan geschmiedet. »Wen hast du gekränkt?«
»Camulus.«
»Auf welche Weise?« Ihre Stimme erstarb, geistesabwesend starrte sie vor sich hin. Offenbar kehrte eine Erinnerung zurück. »Du hast seinen Sohn getötet.«
Verzweifelt schloss Talon die Augen. Könnte er doch die Zeit zurückdrehen, die Ereignisse jenes Tages ändern! Wäre er bloß daheim bei Nynia geblieben, um in aller Stille seinen Onkel zu betrauern! Dann wäre das alles nicht geschehen. »Ja«, bestätigte er leise, »ich dachte, sein Sohn wäre der Anführer des Trupps gewesen, der Idiag getötet hatte.«
»Weil du mich geheiratet hast, und nicht seine Tochter.«
Er nickte. »Vor lauter Trauer war ich blind und nahm mir nicht die Zeit herauszufinden, dass seine Tochter jemand anderen geheiratet hatte.« Beklommen erinnerte er sich an jenen Tag, und das Leid erfüllte sein Herz immer noch. »Nyn
versuchte mich zurückzuhalten. Doch ich wollte nicht auf sie hören. Nachdem ich die feindlichen Krieger und den König getötet hatte, erschien Camulus auf dem Schlachtfeld und verfluchte mich. Später erfuhr ich, die Attacke auf meinen Onkel wäre von seinem illegitimen Sohn angezettelt worden, der Ceara und mich aus dem Weg räumen wollte, um den Thron zu besteigen. Da war es zu spät. Die Würfel waren gefallen, unsere Schicksale besiegelt. Erst bei meinem Tod kam die Wahrheit ans Licht.« Stöhnend drückte er Sunshine an sich. »Tut mir so leid, was ich dir antat - was ich uns antat. In meinem langen Leben gab es keinen einzigen Tag, an dem ich mir nicht wünschte, ich könnte in die Vergangenheit zurückkehren und das Unrecht wiedergutmachen.«
»Deshalb musst du dich nicht grämen, Talon. Du hast getan, was du richtig fandest.« Zärtlich streichelte sie ihn und versuchte, jene quälenden Schuldgefühle zu lindern. »Gibt es eine Möglichkeit, Camulus’ Fluch zu entkräften?«
»Nein. Wie mächtig er ist, ahnst du gar nicht.«
Sie rückte ein wenig von ihm ab und schaute ihn an. »Hast du nie versucht, ihn zu besänftigen?«
Bevor er antworten konnte, flog die Tür auf. Erschrocken sprang Sunshine von Talons Schoß und starrte den Mann an, der langsam hereinkam, als hätte er alle Zeit dieser Welt. Nicht ganz so groß wie Talon, trug er schwarze Lederjeans, einen schwarzen Pullover mit V-Ausschnitt und einen grauen Mantel. In dichten Wellen fiel das schwarze Haar auf seine Schultern. So attraktiv er auch war - er strahlte eine düstere, unheimliche Aura aus, die bekundete, es würde ihn erfreuen, andere Leute leiden zu sehen.
Zum Kampf bereit stand Talon auf. Der Fremde schenkte ihm ein arrogantes Lächeln. »Hoffentlich verzeihst du die
Störung. Aber meine Ohren brannten. Und so wollte ich hören, was ihr beide über mich sagt.«
Sunshine rang nach Atem. Wer dieser Mann war, musste Talon ihr nicht erklären. Camulus.
Mit einem wilden Fluch trat Talon vor. Ehe sie wusste, wie ihr geschah, schnellten zwei Dolche aus seiner Jacke, die unter dem Couchtisch lag, und flogen in seine Hände. Als er auf zwei Tasten drückten, schnellten drei Klingen aus jedem.
»Warte!«, rief sie, ehe er zum Angriff übergehen konnte. Diesen Kampf, der ihn das Leben kosten konnte, musste sie
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