Im Herzen der Nacht - Roman
hielt. Niemals duldete er jemanden hinter sich, stets bevorzugte er eine Wand im Rücken und beobachtete alle Leute. Das würde seine Mom den Instinkt eines Revolverschwingers nennen, der jeden Moment mit einer Attacke rechnete.
Nick setzte sich ans Ende der Theke, Ash auf einen Barhocker an der Ecke, mit dem Rücken zur Wand, sodass er die Gäste und die Tür im Auge behalten konnte. Schon nach wenigen Sekunden kam ein bulliger älterer Barkeeper zu ihnen. »Was darf’s sein?«, erkundigte er sich mit heiserer Stimme.
»Bringen Sie mir ein Budweiser light«, bat Nick.
»Das Gleiche.«
Der Barkeeper kniff die Augen zusammen und musterte Ash eingehend. Um nicht zu grinsen, biss Nick auf seine Lippen. Was jetzt passieren würde, wusste er, noch bevor der Mann sprach. »Hast du einen Ausweis bei dir, Kid?«, fragte er den Atlantäer.
Da musste Nick lachen, und Ash trat gegen sein Schienbein. Dann holte er seinen gefälschten Ausweis hervor und reichte ihn dem Barkeeper, der ihn gründlich studierte.
»Nichts für ungut... Wenn du diese Sonnenbrille trägst,
sehe ich nicht, ob du das wirklich bist. Die musst du abnehmen, wenn du ein Bier willst, Kid.«
In Ashs Kinn tickte ein Muskel, aber er gehorchte.
Sobald der Barkeeper die unheimlichen Silberaugen erblickte, räusperte er sich. »Oh, tut mir leid, ich konnte nicht ahnen, dass du blind bist. Da hast du deinen Ausweis.« Als er Acherons Hand ergriff und den Pass hineinlegte, lachte Nick noch lauter. Ash war der einzige Dark Hunter, der sich immer wieder ausweisen musste.
Nachdem der Barkeeper davongegangen war, konnte Nick der Versuchung nicht widerstehen und witzelte: »Sind Sie jetzt offiziell erblindet?«
»Nein.« Ash steckte den Ausweis wieder ein. »Und wenn du mich ärgerst, fessle ich dich an einen Rollstuhl.«
Sofort verflog Nicks Amüsement. »Tut mir leid, aber es war so komisch. Ich liebe diesen Ausweis, den Jamie für Sie gemacht hat. Geburtsjahr 1980. In welchem Jahr wurden Sie denn wirklich geboren?«
»9548 vor Christus.«
»Wow«, murmelte Nick beeindruckt. Dass Ash alt war, hatte er gewusst. Aber so alt... »Dann sind Sie ja fast ein Fossil.«
Der Barkeeper servierte das Bier. »Essen Sie was?«
»Klar.« Nick bestellte rote Bohnen mit Reis. Als er wieder mit Ash allein war, fragte er: »Und wie alt sind Sie dann?«
Acheron nippte an seinem Budweiser. »Elftausendfünfhunderteinundfünfzig Jahre. Und ja, ich spüre jeden einzelnen Tag.«
»Unglaublich, ich hatte keine Ahnung... Ich wusste nicht einmal, dass es damals schon Menschen gab.«
»Zu Lebzeiten der Familie Feuerstein saß ich auf dem Rücken
eines Dinosauriers und arbeitete in einem Steinbruch. Barney Geröllheimer war ziemlich klein. Aber er spielte sehr gut Stein-Football.«
Nick schnaufte. Dann lachte er. Er mochte Ash, obwohl er ein gespenstischer Exzentriker war. »Und warum bin ich hier?«
»Weil ich an einem Ort mit dir reden will, wo Kyrian uns nicht zuhört.«
»Okay. Warum?«
Ehe Ash antworten konnte, trat eine langbeinige Brünette in einem extrem kurzen Rock an die Theke. Desinteressiert musterte sie Nick, legte einen manikürten Finger auf Acherons Brust und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Freundlich lächelte er sie an. »Das weiß ich zu schätzen, meine Liebe. Aber ich bin in festen Händen.«
Schmollend reichte sie ihm eine Visitenkarte. »Falls Sie sich anders besinnen, rufen Sie mich an. Ich beiße nicht. Das verspreche ich Ihnen.«
»Sie nicht, aber ich«, murmelte er, als sie davonging.
Da Nick nicht sicher war, ob er sich verhört hatte, gab er keinen Kommentar ab. Der Barkeeper servierte das Essen.
»Das verstehe ich nicht, Ash«, sagte Nick. »Sie ziehen sich wie ein Freak an. Trotzdem sind die Frauen ganz verrückt nach Ihnen.«
»Wer hat, der hat«, erwiderte der Atlantäer belustigt.
»Ja, aber das frustriert Jungs von meiner Sorte, die’s nicht haben. Von diesem Talent sollten Sie uns etwas abgeben.« Nick kostete seine Bohnen. »In welchen festen Händen sind Sie?«
Wie üblich ignorierte Ash persönliche Fragen. »Um beim Thema zu bleiben - ich habe dich hierherbeordert, weil ich
deinen Beistand brauche. Du musst mir helfen, Kyrian beizubringen, dass Valerius in New Orleans ist.«
Beinahe verschluckte sich Nick an einem Stück Brot. »Den Teufel werde ich!«
»Hör mal, ich meine es ernst. Früher oder später werden sich ihre Wege kreuzen. Darauf muss er vorbereitet sein - Julian übrigens auch. Wenn einer der beiden den Römer
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