Im Herzen der Wildnis - Roman
Licht drang durch den Nebel, aber der Hafen war nicht mehr weit entfernt. Sanft strich er über Shannons Gesicht, das er im Schein der Positionslichter kaum erkennen konnte.
An jenem Abend in Nome, als er Jake gebeten hatte, seinen Job zu übernehmen, hatte er ihm das Foto gezeigt. Jake hatte es lange betrachtet. »Sie hat dich geliebt.« Er hatte Josh das Foto zurückgegeben. »Aber was soll Gutes dabei herauskommen?«
»Was meinst du? Ich liebe sie.«
»Und Rob?«, hatte Jake gefragt. »Sie ist verheiratet. Sie hat ein Kind.« Er hatte sich vorgebeugt, beide Hände auf dem Tisch. »Ihr Ehemann ist ein guter Freund von dir.«
»Ich werde sie wiedersehen.«
»Und dann?«
Wieder bimmelte die Glocke. Die ersten Lichter tauchten aus dem Nebel auf! Da waren die Piers! Und dort die Hochhäuser des Financial District! »Randy, wir sind zu Hause!«
Sobald der Dampfer angelegt hatte, ging er mit seiner Tasche und seiner Winchester über der Schulter an Land. Randy trabte neben ihm her, als er mit schnellen Schritten an den Piers entlanglief. Es war zu spät, um jetzt noch bei Shannon anzurufen. Er würde sich eine Pferdedroschke suchen, die ihn nach Hause brachte. Oder ein Cable Car. Mitten in der Nacht würde ihn gewiss niemand abholen.
Pier 22, Pier 20, Pier 18. Bis zum Embarcadero mit der Haltestelle der California Street Line war es nicht mehr weit, als er hinter sich ein Geräusch hörte. Er spannte die Schultern an. Die Waterfront von San Francisco war berüchtigt für bewaffnete Überfälle auf Goldsucher aus Alaska und für das Schanghaien von Seeleuten. In der Bay lagen oft Schiffe, denen Mannschaften fehlten. In der Nacht streiften Bewaffnete durch den Hafen, schlugen Männer nieder oder machten sie in einer Bar mit Whiskey betrunken und schleppten sie mit Gewalt an Bord der Schiffe, die sofort ausliefen. Das Schanghaien von Seeleuten war das gewinnbringendste Geschäft im Hafen – die Methoden waren abenteuerlich und gefährlich. Nicht umsonst wurde das Geld, das Kapitäne für neue Crewmitglieder zahlten, Blutgeld genannt.
Schritte – hinter ihm! Er warf einen Blick über die Schulter. Drei Männer folgten ihm. Sie trugen etwas in den Händen, das er in der nebeligen Dunkelheit nicht erkennen konnte. Es konnten Marlspieker sein, eiserne Dornen mit einem Knauf am Ende, die als Werkzeug beim Takeln verwendet wurden. Häufig wurde der Marlspieker mit einem Seglermesser mit starker Sägeklinge kombiniert. Auf seinem Boot hatte Josh eine solche Waffe.
Er ging schneller. Mit der rechten Hand tastete er nach dem Colt, mit der linken suchte er in seiner Jeans nach ein paar Cents für die Fahrkarte des Cable Cars, das gerade auf das Ferry Building zusteuerte, um dort zu wenden. Josh atmete auf. Mit dem Cable Car kam er ohne Umsteigen bis zum Nob Hill. In einer halben Stunde war er zu Hause.
Vor dem Büro der Pacific Seafarers Union stapelten sich Kisten und Fässer. Einige Schritte weiter stand eine verlassene chinesische Garküche. Von dort taumelten ihm Arm in Arm drei betrunkene Matrosen entgegen.
Drei von vorn, drei von hinten.
Joshs Hand schloss sich um den Griff seines Colts.
Johlend stolperten die drei Betrunkenen auf ihn zu. »Hey, kommst du aus Alaska?«, grölte einer.
»Yup.«
Josh wollte an ihnen vorbeigehen, aber sie stellten sich ihm in den Weg. »Hast du Gold gefunden?«
»Yup.«
»Oooh! Wie viel denn?«
»Es hat gerade für die Fahrkarte nach Hause gereicht.« Josh trat einen Schritt zur Seite, um den Betrunkenen auszuweichen, aber sie kamen ihm sofort nach. Ein rascher Blick über die Schulter: Die drei anderen waren schon ganz nah!
Ein Mann haute Josh auf die Schulter. »Hey, komm doch mit! Wir geben dir einen aus.«
»Nein, danke.« Mit der Hand am Colt ging Josh an ihnen vorbei, um das Cable Car zu erreichen, das in Kürze über die Market Street zurückfahren würde.
Plötzlich begann Randy wie ein Irrer zu kläffen. Josh zog seinen Colt, wirbelte herum und stellte sich den Angreifern mit dem Revolver in der Hand. Mit erhobenen Marlspiekern kamen die sechs Männer rasch näher. Was sie wollten, war ihm klar: Sie wollten sein Gold. Und ihn . Er feuerte einen Warnschuss in die Luft, der in der Stille der Nacht widerhallte.
Einer der Männer hob die Hand mit fünf abgespreizten Fingern. »Noch fünf Schuss! Wir sind sechs!«
Josh legte an. »Wer zuerst?«
In geduckter Haltung stand Randy neben ihm und kläffte sich heiser. Die Schritte hinter sich hörte Josh zu spät.
Ein
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