Im Herzen der Wildnis - Roman
verloren hatte. Shannon stellte sich vor, wie er sich über das Bettchen beugte und ihrem Sohn liebevoll über den Kopf strich. Und wie Ronan den Bären an sich drückte, strampelte und quietschte.
Ich bin so froh, dass ich mich richtig entschieden habe, dachte sie. Rob und ich, wir sind die besten Freunde. Wir lieben uns. Wir haben wieder zueinandergefunden. Was kann uns jetzt noch trennen?
Rob kam heraus auf die Terrasse und setzte sich neben sie auf die Schaukel, die wieder zu schwingen begann. »Was für ein unglaublicher Abend!«, flüsterte er leise und zog sie an sich.
Mit einem Seufzen lehnte sie den Kopf an seine Schulter, legte ihre Hand auf sein Knie und genoss seine zärtlichen Berührungen. »Sehr romantisch.« Sie nahm seine Hand und zog sie auf ihren Schoß. »Was würde Tom jetzt sagen?«
Lachend imitierte er seinen Vater. »Gut gemacht, mein Junge. Und jetzt mach bloß alles richtig.«
»Was?«, hauchte sie.
Er legte seinen Arm um sie und streichelte sie sanft. »Dich zu lieben.« Er küsste sie. »Ich will dich lieben, Shannon, und dich nie wieder enttäuschen.«
29
Die Vorhänge wehten in der leisen Brise vom Meer, und es schien, als drängen die Nebelschwaden bis ins Schlafzimmer. Im Schlaf hatte Rob sich an sie geschmiegt. Shannon betrachtete seine entspannten Züge, während sein Atem ihr Gesicht streichelte. Ruhelos tastete sie nach der Uhr auf ihrem Nachttisch. Kurz vor zwei. Sie setzte sich auf.
Rob wurde davon wach. »Was ist?«, brummte er verschlafen.
Sie beugte sich über ihn und strich ihm übers Haar. »Ich kann nicht schlafen, ich bin noch zu aufgewühlt.«
Sie hauchte ihm einen Kuss auf die Lippen. Sobald sie sich etwas übergezogen hatte, verließ sie das Schlafzimmer. Leise schloss sie die Tür und ging in Ronans Kinderzimmer. Als sie vor eineinhalb Stunden am Bootssteg angelegt hatten, war Ronan wach gewesen. Das Stampfen des Bootes auf den Wellen jenseits des Golden Gate hatte ihn geweckt. Rob hatte ihn wieder in den Schlaf gesungen. Der niedliche Kuschelbär lag neben Ronan unter der Bettdecke. Morgen würde sie dem Bären die Verbände und die Schlinge um den Arm abnehmen. Der Bär mit dem gebrochenen Herzen!
Sie ging hinunter in ihr Arbeitszimmer, wo Joshs Päckchen auf dem Schreibtisch lag. Sie setzte sich und zog es zu sich heran. Der Absender lautete Nome, Alaska. Aber die Briefmarken waren in Alameda, Kalifornien, abgestempelt worden. Hatte Josh das Päckchen der Explorer mitgegeben? Nach der Rückkehr des Eisbrechers hatte es irgendjemand in Alameda zur Post gebracht, statt es bei ihnen abzugeben.
Aber wieso schreibt er mir und nicht Rob?, fragte sie sich. Die beiden waren doch befreundet. Was war in dem Päckchen? Ein Geschenk für Ronan?
In der Schublade kramte sie nach einer Schere. Damit schnitt sie das Band durch, das um das Päckchen gewickelt worden war. Dann riss sie den Umschlag ab, der auf der Vorderseite klebte, und legte ihn zur Seite. Schließlich öffnete sie das Päckchen und sah hinein: ein Notizbuch und ein Stapel handschriftlicher Aufzeichnungen. Die Schrift kam ihr bekannt vor. Verwirrt riss sie den Umschlag auf und entfaltete den Brief. Ihr Blick fiel auf die erste Zeile. Geliebte Shania. Ihr stockte der Atem, und sie zitterte plötzlich.
Geliebte Shania,
zum ersten Mal weiß ich nicht, wie ich einen Brief an Dich beginnen soll. Dieser ist der schwerste von allen, denn er könnte der letzte sein. Aber dieser ist auch der leichteste, denn ich hoffe, dass wir uns bald wiedersehen.
Ein Wiedersehen mit Jay? Ihr Herz krampfte sich schmerzhaft zusammen.
Gedanken und Gefühle kommen in mir hoch. Erinnerungen an die schönste Zeit meines Lebens, die ich mit Dir verbracht habe, Shannon. Ja, ich weiß jetzt, wer Du bist. Ich habe die Fotos von Deiner Hochzeit mit Rob gesehen. Und auch die Aufnahmen von Ronan. Ein süßer Junge!
Ein Traum ist heute gestorben, Shannon, und mit ihm Jay Chesterfield. Er starb an gebrochenem Herzen, weil Shania Ghirardelli ihn mit Tränen in den Augen verlassen hat, um einen anderen zu heiraten, mit dem sie den Rest ihres Lebens verbringen will und mit dem sie jetzt ein Kind hat. Ich bin nicht Jay, ich bin Josh Brandon.
»Josh!« Sie schlug sich die Hand vor die Lippen. Wie ein Schmerz durchzuckte es sie: Rob und Sissy, ich und Josh …
Wenn Du diesen Brief liest, bin ich schon auf dem Weg zu Dir. Ich möchte mit Dir reden. Ich möchte Dir sagen, wie verletzt ich war, als Du mich wegen Rob verlassen hast, aber ich
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