Im Herzen der Wildnis - Roman
gesehen. Und im Palace Hotel? Vielleicht war Josh dorthin gegangen, um sich mit dem Auto abholen zu lassen? Als Rob schließlich nach Brandon Hall zurückgekehrt war, hatte Shannon ihm berichtet, Charlton wäre wenige Minuten zuvor ins Police Department gefahren, um Josh als vermisst zu melden.
Sie legte das Fotoalbum neben sich auf das Sofa und stand auf. »Ich rufe nochmal zu Hause an.«
Er nickte, und sie verschwand in Charltons Arbeitszimmer. Durch die offene Tür konnte er sie telefonieren hören. »Mr Mulberry? Ich bin’s. Hat Josh Brandon angerufen? … Verstehe. Nein, wir bleiben noch hier. Wenn Ronan sich nicht beruhigt, dann bringen Sie ihn her. Mit dem kleinen Husky … Ich danke Ihnen. Bis später.« Shannon legte auf und kam zurück in die Bibliothek. Sie schüttelte den Kopf.
Warum sollte Josh auch bei uns anrufen?, fragte er sich. Andererseits … Shannon hat in der Nacht das Päckchen ausgepackt, das er ihr aus Nome geschickt hatte. Sie war verstört gewesen, aufgewühlt und fassungslos. Vielleicht lag das aber auch an Charltons aufgeregtem Anruf mitten in der Nacht, dass Josh zurückkehrt …
Shannon sah so verloren aus, dass Rob sie ganz fest umarmte. Sie legte ihre Arme um ihn und lehnte ihren Kopf an seine Schulter. Leise gestand sie: »Ich hab solche Angst!«
Rob küsste sie tröstend. »Ich auch.«
In diesem Augenblick näherten sich schnelle Schritte der Bibliothek, und die Tür wurde schwungvoll geöffnet.
Shannon ließ ihn los. »Charlton!«
Joshs Großvater trat zur Seite, um einen Diener mit einem Bündel aus Decken auf den Armen in den Raum zu lassen. »Legen Sie ihn auf das Ledersofa. Da hat er es bequem.«
»Ja, Sir.« Der junge Mann legte das schwere Bündel behutsam ab und richtete sich auf. »Ich rufe einen Arzt.«
Charlton nickte, winkte den Diener ungeduldig aus dem Raum und schloss die Tür hinter ihm. Dann ging er zum Sofa hinüber und schlug die Decke zurück. Ein Husky!
Rob hastete zum Sofa. Charlton sah ihn ernst an. »Rob, ist das Randy?«
Er nickte. Neben dem schwer verletzten Husky kniete er nieder und streichelte ihn behutsam. »Hey, Randy!«
Mit angezogenen Beinen lag der Hund auf der Seite und gab keinen Laut von sich. Seine blauen Augen waren schmale Schlitze, die Schnauze war geschlossen, und er hatte offenbar große Schmerzen. Er blutete aus zwei Wunden und atmete nur ganz flach. Seine Flanken bebten, und seine buschige Rute, sonst immer in Bewegung, lag kraftlos auf dem Sofa.
Rob kraulte dem Husky aufmunternd das dichte Fell hinter den Ohren. »Hey, Randy! Ich kümmere mich um dich, mein Junge. Deine Schmerzen hören bald auf. Und deine Wunden werden verheilen.«
Randy stellte die Ohren auf und winselte schrill. Hatte er ihn erkannt? Erinnerte er sich daran, dass er Joshs Freund war? Schwach hob Randy den Kopf und ließ sich von Rob streicheln, dann legte er sich wieder flach hin.
Charlton trat neben ihn. »Wie es scheint, ist Randy bei einem Kampf verletzt worden. Ein Reporter des Examiner recherchiert seit einigen Nächten an den Piers für eine Story. In den frühen Morgenstunden sind offenbar wieder mehrere Männer schanghait worden. Der Reporter hat Randy in seinem Wagen zum Police Department gefahren.«
»Und Josh?«, fragte Rob nach.
Charlton schüttelte den Kopf. »Nichts. Randy hat eine Stich- und eine Schusswunde. Vielleicht wurde Josh schanghait – vielleicht ist er aber auch tot.«
Hinter ihnen schluchzte Shannon auf. Mit der Hand vor den bebenden Lippen wandte sie sich um und flüchtete ins Arbeitszimmer. Ihr leises Weinen drang durch die offene Tür.
Charlton sah ihn an. »Geh zu ihr, Rob. Ich bleibe bei Randy.«
Rob folgte seiner Frau nach nebenan. Shannon saß an Charltons Schreibtisch, ihr Kopf auf den verschränkten Armen, unter denen etliche handschriftliche Zettel hervorragten, die sie offenbar aus ihrer Handtasche geholt hatte. Sie weinte mit zuckenden Schultern.
Rob hockte sich neben sie und umarmte sie. »Schhht!«
Sie schluchzte nur umso verzweifelter.
Er beugte sich über sie und legte seinen Kopf tröstend an ihren. »Shannon, mein Liebes …«
Sein Blick fiel auf einen der zerknitterten Zettel unter ihren Armen. Es war ein Brief. Ihm blieb fast das Herz stehen. Er ließ sie los und starrte die Briefe an.
Geliebte Shania,
ich bin jetzt auf dem Weg nach Norden in die Wildnis. Ich habe keine Hoffnung mehr, Dich wiederzusehen. Aber dies ist kein Abschiedsbrief, denn ich möchte nicht, dass Du denkst, ich habe Dich
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