Im Herzen der Wildnis - Roman
beide Hände. »Was für ein Abend! Obwohl es mein fünfundsiebzigster Geburtstag ist, an den ich eigentlich nicht erinnert werden wollte.« Charlton sah wieder zu Josh hinüber. »Was für ein Leben. Was für ein weiter Weg von London nach San Francisco. Was für ein Glück, in guten wie in schlechten Tagen. Was für Erinnerungen. Als ich vor einundfünfzig Jahren zum ersten Mal hierherkam, um Gold zu waschen, gab es San Francisco noch nicht, und Kalifornien war noch kein Staat der USA. Nur Caitlin war schon vor mir da.«
Vereinzeltes Gelächter.
»Was für eine Frau. Und was für ein Schlag. Die erste Runde ging an Caitlin, ein klarer Sieg durch Knockout.« Charlton fasste sich an die einst gebrochene Nase, und ausgelassenes Lachen brandete auf. »Meine Freunde, ich hatte viel Glück in meinem Leben. Ich hatte Caitlin, wenn auch nur für wenige Monate. Ich hatte einen prächtigen Sohn – Jonathan, der leider viel zu früh von uns gegangen ist. Und ich habe zwei wundervolle Enkel, Sissy und Josh, die mir beide sehr viel Freude machen. Josh ist nach drei Jahren endlich aus Alaska zurückgekehrt. Und für diejenigen, die ihn nicht kennen, dort drüben steht mein Prachtjunge!«
Die meisten Gäste drehten sich zu ihm um.
»Als ich heute Morgen aufwachte, stand Sissy an meinem Bett. Mit einem Geburtstagskuchen mit einer brennenden Kerze. Wieso nur eine Kerze, hab ich sie gefragt. Weil fünfundsiebzig nicht auf den Kuchen passen, hat sie geantwortet. Na gut, hab ich gesagt, aber dann doch bitte zwei Kerzen, eine für dich und eine für deinen Bruder. Da hat Sissy noch eine Kerze geholt und angezündet.«
Josh ließ seinen Blick über die Gäste schweifen und suchte seine Schwester. Dort drüben stand sie in der Menge. Sissy war enttäuscht gewesen, dass Tom die Party noch vor der Eröffnung des Buffets verlassen hatte, denn das Gespräch mit ihm hatte ihr offenbar gefallen. Aber jetzt lächelte sie glücklich.
»Ihr wollt sicher wissen, was ich mir gewünscht habe, als ich die beiden Kerzen ausgeblasen habe?«, fuhr Charlton fort. »Ich wünsche Sissy und Josh ein Leben, so glücklich wie meines, so abenteuerlich, so erfolgreich und so schön. Ich wünsche ihnen, dass sie ihre Träume verwirklichen und dass keine Hoffnung unerfüllt bleibt. Ich wünsche ihnen, dass sie die Liebe finden – die Leidenschaft, die Zärtlichkeit, das Vertrauen und das Glück. Und ich wünsche ihnen, dass sie sich eines Tages sagen können: Ich habe in meinem Leben alles erlebt, wonach ich mich gesehnt habe, und alles erreicht, worauf ich gehofft habe. Ich bin zufrieden und glücklich.« Atemlose Stille. »Josh hat mir gestern Abend eine große Freude bereitet. Er wird nicht nach Alaska zurückkehren. Er wird mein Partner, und darauf bin ich sehr stolz. Die Brandon Corporation hat von heute an zwei gleichberechtigte …«
Der Rest der Rede ging in tosendem Beifall unter.
William Randolph Hearst kam zu Josh herüber, um ihm zu gratulieren. »Das kommt auf die erste Seite! Meinen herzlichen Glückwunsch, Josh.« Er lächelte entschuldigend. »Bitte verzeihen Sie … Sir.«
»Bitte nennen Sie mich doch weiter Josh.«
»Charlton ist sehr stolz auf Sie.«
Sobald die Gratulanten an ihre Tische oder auf die Tanzfläche zurückgekehrt waren, schlenderte Josh durch den Garten zum Haus. Die Party, das Feuerwerk, die Musik, die vielen Menschen, das alles wurde ihm plötzlich zu viel. Wie gern wäre er jetzt in die Weite, die Stille und die Einsamkeit geflüchtet, die er seit Jahren gewohnt war.
Charlton, der bemerkt hatte, dass er verschwinden wollte, fing ihn ab. »Wohin willst du?«
»Ich geh ein bisschen spazieren.«
»Um halb zwei Uhr morgens?«
»Ich möchte allein sein.«
»Was ist los mit dir?«, fragte sein Großvater besorgt. »Seit gestern bist du so …«
»Es geht mir gut.«
»Na schön, wie du meinst, Josh. Soll ich auf dich warten? Mit einem Glas Champagner, damit wir noch einmal auf unsere Partnerschaft anstoßen?«
»Nein, geh ruhig schlafen. Ich weiß noch nicht, wann ich zurückkomme. Es kann spät werden. Oder früh …«
Charlton grinste. »Verstehe. Na, dann gute Nacht, mein Junge!«
Sobald Josh sich Hemd, Pullover und Jeans angezogen hatte, verließ er Brandon Hall und ging die Straße entlang, bevor er nach Norden abbog. Viertel vor zwei. Die Nacht war ruhig. Die Luft war weich wie Seide, und der Sternenhimmel funkelte, als er zum Broadway hinunterging. Er genoss den atemberaubenden Blick auf die nächtliche
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